Sie sind hier: Home > Universität > UBS, Nestlé & Co: Massiver Anstieg der gesponserten Lehrstühle – vor allem an einer Universität

UBS, Nestlé & Co: Massiver Anstieg der gesponserten Lehrstühle – vor allem an einer Universität

Die Zahl der fremdfinanzierten Professuren ist in fünf Jahren um 13 Prozent gestiegen, wie die erste nationale Auswertung von CH Media zeigt. Forscher sind sich nicht einig beim Umgang mit dem Geld aus der Wirtschaft.

Eine Credit-Suisse-Professur für die Geschäftsethik, eine Pharmasuisse-Professur für klinische Pharmazie: Die grossen Firmen und privaten Stiftungen zeigen sich gegenüber der Wissenschaft immer spendabler. So gibt es in der Schweiz laut einer Umfrage dieser Zeitung mittlerweile 162 Professuren, die es ohne das Geld von Privaten nicht gäbe. Das sind 13 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Dazu kommen zahlreiche Lehrstühle, die eine Anfangsfinanzierung von Privaten erhalten haben, sich nach ein paar Jahren dann allerdings die Finanzierung durch den Staat erarbeiten konnten.

Die Sponsoring-Könige der Schweizer Universitäten sind die beiden ETH in Lausanne und Zürich, welche sowohl prozentual als auch in absoluten Zahlen die meisten gesponserten Professuren beschäftigen. An der ETH-Lausanne sind fast 9 Prozent aller Professuren gesponsert, an der ETH-Zürich sind es um die 6 Prozent – einige dieser fertig finanzierten Lehrstühle werden allerdings erst im laufenden Jahr mit neuen Professorinnen und Professoren besetzt.

Wissenschafter sorgen sich wegen Beeinflussung

Auf die beiden eidgenössischen Hochschulen folgen im Sponsoren-Ranking die Universitäten Basel, Bern und Zürich. Erst danach kommen die kleineren Universitäten und die vier Westschweizer Hochschulen.


stb

Dabei fällt auf, dass der markanteste Anstieg an gesponserten Professuren zuletzt an der Universität Bern stattgefunden hat. Innerhalb von fünf Jahren verdoppelte sich die Zahl der Stiftungsprofessuren beinahe von 12 auf 23. Damit ist die Uni Bern plötzlich zu ähnlichen Teilen fremdfinanziert wie die Konkurrenz in Basel und Zürich – und kann sich nicht mehr auf einen ausserordentlich guten Eigenfinanzierungsanteil berufen. Die Uni Bern schreibt dazu: «Wir begrüssen und fördern private Unterstützung, mit denRichtlinien für Donationenist die Freiheit von Lehre und Forschung gewährleistet».

Die Tendenz zur Fremdfinanzierung der Forschung sorgt bei einigen Wissenschaftern aber für Besorgnis: «Immer wenn Geld fliesst, entsteht entweder direkt Abhängigkeit oder es entsteht der Anschein einer solchen. Beides sollte unbedingt vermieden werden», sagt Andreas Brenner, Professor für Philosophie an der Universität Basel und an der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Der Wissenschafter gehört zu den 27 Erstunterzeichnerndes «Zürcher Appells»zur Wahrung der wissenschaftlichen Unabhängigkeit und beobachtet die Situation seit vielen Jahren kritisch. Er warnt vor einer Amerikanisierung des Schweizer Bildungswesens und befürwortet die europäische Tradition, dass der Staat und nicht Private die Bildung finanziert. «Denn private Finanzierung erhöht zwar teilweise das Bildungsniveau, dies aber immer zu Lasten der Bildung in der Breite», so Professor Andreas Brenner. Einige wenige Leuchttürme stünden dann in einer Bildungswüste.

Spitzenforschung nur dank Geld der Schweizer Banken

Anders sieht das Wirtschaftsprofessor Ernst Fehr, Direktor des «UBS International Center of Economics» an der Universität Zürich. Er findet: «Wenn durch die Verträge zwischen Universität und Firmen sichergestellt ist, dass die Firmen keine Mitspracherechte bei der Auswahl der Personen und bei der am Lehrstuhl getätigten Lehre und Forschung haben, spricht nichts gegen die Finanzierung von Lehrstühlen durch Firmen.» Es handle sich dann um echte philanthropische Finanzzuwendungen.

Unabhängig von der Frage der Parteilichkeit von fremdfinanzierter Forschung ist klar: Für die Universitäten lohnt sich das Engagement der Privaten. Das UBS-Center der Universität Zürich etwa geniesst international einen guten Ruf, gewinnt immer wieder Nobelpreisträger für Vorträge und beschäftigt mehrere schweizweit bekannte Ökonomen– für die Universität Zürich also ein Gewinn, trotz allen Debatten um Befangenheit.

Die meisten Universitäten wollen ihren Anteil an Stiftungsprofessuren deshalb ausbauen. UZH-Professor Ernst Fehr empfiehlt das Modell nicht nur für Wirtschaftsfakultäten, sondern hält es für alle Wissenschaftszweige für sinnvoll. Die sponsernden Firmen müssten sich aber zu klaren Abmachungen verpflichten. «Die Finanzierung muss unabhängig davon erfolgen, wer für den Lehrstuhl berufen wird und was am Lehrstuhl geforscht und gelehrt wird», so Fehr.

Die Praxis zeigt aber, dass diese Forderung aus der Theorie oft mangelhaft umgesetzt wird. Denn die offiziellen vertraglichen Absprachen sorgen immer wieder für Skandale um die 4500 Professoren in der Schweiz – so just an der Universität Zürich Anfang Jahr, als bekannt wurde, dass Zigaretten-Multi Philipp-Morris vertraglich festgelegt darüber entscheiden darf,ob und wie die vom Konzern finanzierte Studie überhaupt veröffentlicht wird.

Oder die Absprache zwischen der Versicherung Mobiliar und der Uni Bern, weil bekannt wurde, dassder Versicherer bei der Ausrichtung einer Klimaprofessur stark mitreden konnte, über was geforscht wurde. Auch während dieser Recherche berichtete eine Westschweizer Uni von Beeinflussungsversuchen von Firmen, die eine Professur finanzieren wollten unter der Bedingung, dass sie den gesponserten Professor gleich mitliefern dürfen.

Schweizer Unis: Total unterschiedliche Strategien

Die Hochschulen ringen deshalb um die richtige Strategie im Umgang mit den Stiftungsgeldern. So verweigert sich etwa die Universität Lausanne dem Konzept der fremdfinanzierten Lehrstühle komplett. «Dem Spender ein Kontrollrecht über die Verwendung des gespendeten Geldes einzuräumen, ist problematisch», schreibt die Universität, an der es gar keine Stiftungsprofessuren gibt. Geldspenden würde die Uni Lausanne zwar schon annehmen, allerdings nur als Spende für die universitätseigene Stiftung, welche dann ganz frei über die Verwendung entscheide.

Die ETH-Lausanne dagegen nimmt auch Finanzspritzen für spezifische Zwecke entgegen und benennt viele der so geschaffenen Lehrstühle nach dem Financier – so gibt es in Lausanne etwa die Nestle-Professur für Neuroentwicklung oder die Swissquote-Professur für Quantitative Finanzanalyse. Das mag im ersten Moment seltsam klingen, schafft aber Transparenz über die Finanzierung. Viele andere Unis führen heutzutage eine Liste mit jenen Lehrstühlen, die dank privaten Zuwendungen entstanden sind.

Diese Massnahmen werden aber nicht von allen als genügend empfunden, denn das Prinzip sei das Problem. «Privates Geld wird nicht einfach so in die öffentliche Forschung gegeben, sondern verfolgt immer ein Ziel, wenn auch nicht zwingend ein monetäres», mahnt Philosophie-Professor Andreas Brenner. Unabhängige Forschung müsse aber unabhängig finanziert werden.

Bund und Kantone ziehen sich aus Verantwortung

Das Thema der Finanzierung ist offenbar so heikel, dass das übergeordnete Organ für Qualitätssicherung in der Forschung, die Schweizerische Agentur für Akkreditierung und Qualitätssicherung AAQ, sich nicht zum Thema äussern will. Die Frage sei zu politisch. Auch der Schweizerische Nationalfonds SNF will sich diesbezüglich auf Anfrage nicht positionieren.

«Dem Staat sollte Forschung etwas wert sein, entsprechend sollte er die staatlichen Forschungsinstitutionen ausreichend ausstatten, damit sie unabhängig und ergebnisoffen ihre Arbeit tun können», findet Philosoph Brenner. Dieser letzte Aspekt ist auch etwas, was die Wissenschaftsforschung kritisch sieht. Der Luzerner Wissenschaftsforscher und Professor Christoph Hoffmann erklärt: «Mit der zunehmenden Privatfinanzierung von Lehrstühlen werden Kantone, respektive der Bund, als Träger der Universitäten aus der Verantwortung für eine hinreichende Finanzierung entlassen.»

Auch werde der Weg dazu geebnet, dass die inhaltliche Ausrichtung von Universitäten sich immer mehr an dem ausrichte, was für die Wirtschaft und Stiftungen mit Partikularinteressen interessant sei. «Denn die Forschungsthemen der Universitäten werden nicht zuletzt dadurch bestimmt, was sich auf diesem Weg finanzieren lässt», erklärt Christoph Hoffmann. Der Trend hin zu Stiftungsprofessuren verstärkt diese Entwicklung. Für die meist unrentable Grundlagenforschung ist das keine gute Nachricht.