Gut gemachte Musik funktioniert sprachenunabhängig: Sie übersetzen Mundart in Weltsprache
Wer in Mundart singt, der macht seine Welt klein. Während sich die Zollgrenzen in Europa seit Schengen verwässern, bleiben die Sprachbarrieren stramm hochgezogen. Jeans for Jesus reissen nun auch diese ein. Oder texten sie nieder. Soeben ist ihr grossartiges Album «19xx_2xxx_» von 2020 auch noch auf Hochdeutsch und Französisch erschienen. Geboren ist die Idee, als die Berner an ein deutsches Festival gebucht wurden. Corona verhinderte den Auftritt, die Alben gibt’s trotzdem. Zum Glück.
Und Jeans for Jesus klingen tatsächlich nach weiter Welt. Das taten sie aber – obwohl auf Mundart – schon zuvor. Sie übersetzen nun die Texte nicht immer eins zu eins, sondern adaptieren sie, erweitern sie und spüren den Stimmungen nach. Es flickert und flackert jetzt noch mehr Grossstadt aus den Songs. Die Stimmen sind in weite Höhen geschraubt und die Melodien unruhig getrieben – wie ein spätnächtlicher Spaziergang zwischen zwei Clubs durch eine unbekannte Stadt.
Die Musik ist eine globale Sprache
Mit derselben Leichtigkeit, mit der Jeans for Jesus schon immer zwischen den Stilen tanzten, wechseln sie nun die Sprachen. Französisch kam immer schon mal wieder vor in ihrem Werk. Auf «milleneufcentquelquechose» hat Rapper Greis geholfen bei Übersetzung und Neutextung. Entstanden ist eine hinreissende Platte – vielleicht sogar noch ein bisschen besser als die hochdeutsche Variante «2000 etc.».
Zusammen sind die Alben auch der Beweis, was für eine globale Sprache die Musik ist. Längst nicht alles muss verstanden werden, um die Musik zu fühlen. Die Bilder, die Jeans for Jesus sprachunabhängig fabrizieren, sind intensive und raffiniert konzipierte Trips. Und gut gemachte Musik funktioniert – ganz offensichtlich – sprachenunabhängig. Fast noch spannender als die hochdeutsche und die französische Platte für den Schweizer Markt sind die potenziellen Reaktionen auf die Mundart-Versionen im Ausland. Unsere Prognose: Jeans for Jesus würden auch so bestehen. Ihre musikalische Welt war schon immer grösser als die Schweiz. Aber vielleicht funktionieren die Alben auf Französisch und Hochdeutsch ja als Einstiegsdroge. Guter Stoff ist es allemal.
Früher vertrackter, aber immer noch viele Umwege
Plattenwechsel. Ab in die Westschweiz. Nach Jahren der Funkstille meldet sich Honey for Petzi zurück. Elf lange Jahre liegen zwischen dem letzten und dem eben erschienenen «Observations + Descriptions». Während die Band früher deutlich postrockiger unterwegs war, ist es heute zumindest zwei Zacken mehr Pop. Noch immer haben sich die Lausanner den treibenden Grundgroove bewahrt und all die kleinen Vertracktheiten auch. Doch insgesamt ist da mehr Luft und Raum.
Das liegt auch am Gesang, der nun die Lieder begleitet. Mit mehr Elektronik, mehr Direktheit und mehr Farbe. Aber noch immer macht der Rock genug Umwege, prescht repetitiv voran und hat auch ein paar fiebrige Momente, damit er nie durchschaubar wird und immer wieder überrascht.
Die Angst vor dem Angsthaben
Noch ein Plattenwechsel. Dieses Mal legen wir eine Single auf. «Fäschtmol» von To Athena. Die Luzernerin hat uns schon mit «Angscht» umgehauen. Dieser unglaublich feinfühlige und zerbrechliche Song auf Mundart über Ängste und die damit verbundene Angst vor dem Angsthaben.
Auch der neue Song ist wieder dunkel. Die Sängerin thematisiert den Umgang mit der eigenen mentalen Gesundheit. «Ond ech wörd ja gärn ufstoh, doch d’Decki esch z’schwär», singt sie. Und wünscht sich ein «Fäscht» für sich alleine. Bei all dem Schwermut und Pathos bewahrt der Song etwas locker Tänzelndes. Ein Fest. Wir freuen uns aufs Album.