Sie sind hier: Home > Schwingen > Höhepunkt oder doch nur ein Lückenfüller? Das müssen Sie zum Jubiläums-Schwingfest in Appenzell wissen

Höhepunkt oder doch nur ein Lückenfüller? Das müssen Sie zum Jubiläums-Schwingfest in Appenzell wissen

In Appenzell messen sich am Sonntag 122 Schwinger anlässlich des Jubiläums-Schwingfests. Der Wettkampf geht nur alle 25 Jahre über die Bühne. Und doch ist der Stellenwert bei den Athleten umstritten. Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten zum Fest.

Am Sonntag um 8 Uhr erfolgt in Appenzell das Anschwingen zum Jubiläums-Schwingfest des Eidgenössischen Schwingerverbands (ESV). Das müssen sie zum Anlass wissen.

Was ist das Jubiläums-Schwingfest?

Der ESV feiert in Appenzell sein 125-jähriges Bestehen. Der Verband wurde 1895 gegründet. Ursprünglich hätte der Anlass bereits 2020 stattfinden sollen, musste aber wegen der damals grassierenden Coronapandemie verschoben werden. Da 2021 mit dem Kilchberger, 2022 mit dem Eidgenössischen (Esaf) in Pratteln und 2023 mit dem Unspunnen-Fest jedes Jahr Grossanlässe auf dem Programm standen, wurde der Jubiläumsanlass auf den jetzigen Zeitpunkt verlegt.

Wie oft findet ein Jubiläums-Schwingfest statt?

Dieser spezielle Event wird nur alle 25 Jahre ausgetragen. Entsprechend wird am Sonntag in Appenzell erst der fünfte «Jubiläumssieger» in der Geschichte des Schwingsports ausgezeichnet werden.

Wie gross ist der Stellenwert?

Würde man den Massstab anwenden, «je seltener, umso wertvoller», dann müsste der Sieg an einem Jubiläums-Schwingfest in der Karriere eines Schwingers ganz weit oben angesiedelt sein, da die meisten Athleten gar nie die Gelegenheit erhalten, um diesen Titel zu schwingen. Trotzdem ist der Stellenwert innerhalb der Szene umstritten, die Wahrnehmung gestreut irgendwo zwischen Höhepunkt und Lückenfüller. Der Königstitel an einem Eidgenössischen (findet alle drei Jahre statt) gilt als höchste Auszeichnung, gefolgt von Siegen am Unspunnen und am Kilchberger (alle 6 Jahre). Der Schwingerkönig von 2016, Matthias Glarner, fragte sich jüngst in einem Interview mit der Berner Zeitung sogar: «Wie viel Lust haben die Schwinger überhaupt auf dieses Fest?»

Thomas Sutter wurde 1995 in Chur gleichzeitig Schwingerkönig und Jubiläumssieger.
Bild: Keystone

Wie heissen die Sieger der bisherigen Jubiläums-Schwingfeste?

Nur eingefleischte Schwingfans können die Sieger der bisherigen Jubiläumsfeste auswendig herunterrattern. 1995 wurde der Anlass ins Eidgenössische in Chur «integriert». Der damalige Schwingerkönig Thomas Sutter wurde also gleichzeitig auch Jubiläumssieger. Es gab bisher eigentlich nur ein explizites Jubiläumsfest: 1970 in Baden, wo Karl Meli triumphierte. Die restlichen zwei fanden 1945 und 1919 ebenfalls innerhalb eines Esaf statt. 1945 in Bern siegten Willy Lardon und Peter Vogt, 1919 in Langenthal Robert Roth und Gottlieb Salzmann.

Wie gross ist das Teilnehmerfeld?

122 Schwinger sind am Sonntag in Appenzell gemeldet. 32 aus dem Kanton Bern, 32 Innerschweizer, 31 Nordostschweizer, 14 Nordwestschweizer, 12 Südwestschweizer und 1 Gast aus Kanada (Thomas Badat). Zum Vergleich: An einem Esaf nehmen jeweils 280 Schwinger Teil, am Unspunnen 120, am Kilchberger 60.

Wer sind die Favoriten?

In Appenzell werden sich die besten Schwinger der Schweiz die Hand geben. Hochstehender Sport ist also garantiert. Aus dem starken Teilnehmerfeld ragen drei Namen heraus: Fabian Staudenmann, Samuel Giger und der amtierende Schwingerkönig Joel Wicki. Diese drei Athleten gelten als ganz heisse Anwärter auf den Titel.

Wie gut ist Schwingerkönig Joel Wicki in Form?
Bild: Urs Flüeler/KEY

Welches sind die grössten Herausforderer?

Es gibt zahlreiche Schwinger, die in der Lage sind, die oben genannten Giganten in Verlegenheit zu bringen. Die gastgebenenden Nordostschweizer haben neben Giger mit Werner Schlegel, Armon Orlik und Domenic Schneider drei weitere, heisse Eisen im Feuer. Aus den Reihen der wie immer breit besetzten Berner (15 Eidgenossen!) gilt es besonders den 2-Meter-Hünen Adrian Walther sowie Esaf-2022-Schlussgang-Teilnehmer Matthias Aeschbacher zu nennen. Die Innerschweizer haben mit dem in diesem Jahr sehr stark schwingenden Marcel Bieri (ISV- und NWSV-Festsieger) trotz der schmerzhaften Absage von Brünig-Sieger Pirmin Reichmuth einen weiteren Trumpf in der Hinterhand. Die Nordwest- und Südwestschweizer werden wie immer die Rolle des ungemütlichen Aussenseiters und Spielverderbers spielen, aber kaum im Konzert der ganz Grossen mitspielen können.

Gibt es junge Schwinger, die für eine Überraschung sorgen könnten?

In den Kampf um den Festsieg dürften die U20-Talente unter normalen Umständen nicht eingreifen können. Trotzdem gilt es, den einen oder anderen jüngeren Schwinger im Auge zu behalten: allen voran den Berner Michael Moser. Der 19-Jährige holte sich in diesem Jahr neun Kränze. Mit Fabio Hiltbrunner, 19, haben die Berner einen zweiten, jungen Emmentaler Pfeil im Köcher. Er ist allerdings angeschlagen und deshalb wohl nicht im Vollbesitz seiner Kräfte.

Gibt es Kränze zu gewinnen?

Im Gegensatz zum Esaf wird in Appenzell (wie auch am Unspunnen und am Kilchberger) kein Eichenlaub an die Schwinger verteilt. Es zählt also nur der Festsieg. Da es keine Kränze zu gewinnen gibt, können sich die Schwinger auch nicht das prestigeträchtige, dritte Sternchen hinter dem Namen erkämpfen. Für die teilnehmenden Kantonal-, Teilverband- und Bergkranzer geht es also vor allem darum, Erfahrung im Hinblick auf das kommende Jahr zu sammeln, wenn in Mollis GL das nächste Esaf über die Bühne geht.

Wie läuft der Wettkampf ab?

Im Gegensatz zu einem Eidgenössischen (zwei Tage à vier Gänge) wird in Appenzell nur an einem Tag geschwungen. Das heisst, dass die besten Schwinger sechs Gänge bestreiten werden. In der Regel wird das Teilnehmerfeld nach vier Gängen für den Ausstich reduziert.

Was kann der Sieger gewinnen?

Hauptpreis ist der Stier «Alpstein». Danach gibt es fünf weitere Lebendpreise. Den gewohnten Gabentempel sucht man in Appenzell übrigens vergeblich. Dafür erhalten alle teilnehmenden Schwinger als Erinnerung einen von Hand hergestellten Appenzeller Gürtel.

Gut 20’000 Zuschauer finden in der Arena in Appenzell Platz.
Bild: Manuel Fässler

Wie viele Zuschauer werden erwartet?

Die Arena in Appenzell ist mit rund 20’000 Zuschauern ausverkauft. Die begehrten Tickets kamen gar nie in den öffentlichen Verkauf, da sie, einer schönen Schwinger-Tradition gehorchend, proportional auf die fünf Teilverbände aufgeteilt wurden. Nur Mitglieder eines Schwingklubs hatten folglich die Chance, ein Billett zu ergattern.

Wo kann ich das Fest verfolgen?

Die Daheimgeblieben müssen sich nicht grämen und kommen voll auf ihre Kosten. Das Schweizer Fernsehen SRF wird den Wettkampf ab 7.20 Uhr von A bis Z live auf der ersten Senderkette oder via Stream übertragen. Zudem können Sie sich auf den regionalen Webportalen von CH Media via Liveticker laufend über die Leistungen der regionalen Schwinger informieren.

Schreiben Sie einen Kommentar