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Kontroverse um sexistischen Partyhit «Layla»: Lasst dem Partyvolk seine Psychohygiene

Zwei deutsche Volksfeste haben den sexistischen Partyschlager «Layla» auf die Zensurliste gesetzt. Unsere Autorin findet das falsch. Sexismus in der Musik sollte man dort bekämpfen, wo Menschen bei klarem Verstand Musik konsumieren. In Bierzelten gelten andere Regeln.

In Deutschland tobt ein Entrüstungssturm. Es geht nicht um Waffenlieferungen in die Ukraine. Es geht nicht um fehlgeleitete Energiepolitik. Es geht um Puffmutter Layla. Die Dame aus dem Partyhit von DJ Robin und Schürze führt seit Wochen die deutschen Charts an. Zwei deutsche Städte haben den Song wegen des offensiven Sexismus bereits von ihren Volksfesten verbannt. Ein Schlagersender spielt ihn nur noch nachts. Und allein die Tatsache, dass sich der deutsche Bundesjustizminister auf Twitter zu einem Partyschlager positionieren muss, erklärt ungefähr die Tragweite der Debatte, welche die Junge Union im Juni angestossen hatte, als sie sich in Partylaune an einem Anlass mit «Layla» feiern liess und dabei auch noch ein Filmchen für die sozialen Medien drehte.

Dabei wäre es an der Zeit, das Bier mal im Zelt zu lassen, sich nüchtern zurückzulehnen und sich zu fragen: Wozu sind Partyschlager eigentlich da? Schon unsere Vorfahren wussten um die kathartische Wirkung kollektiver Enthemmung. Die alten Griechen oder unsere Ahnen im Mittelalter wären von «Layla» ähnlich mitgerissen worden wie das Partyvolk im Fasnachtszelt oder am Malle-Strand. Die Rezeptur aus Reizwörtern im Reimschema ist seit Jahrzehnten erprobt – die traurige Einförmigkeit der Sommerhits aus diesem Genre der Beweis. Man hätte der geilen Layla auch ein spanisches bailar (tanzen!) unterjubeln können, die Wirkung wäre die dieselbe gewesen.

Kulturanthropologen werden nicht müde zu erklären, dass der geduldete Tabubruch, dieses kurzzeitige Fahrenlassen aller Anstandsregeln, die bestehenden Regeln des gemeinschaftlichen Zusammenlebens nicht in Frage stellt, sondern im Gegenteil bestätigt. Fasnachtscliquen und Bierzeltkönige leisten Wichtiges für die Psychohygiene des Volkes – wenn auch wenig für die Kunst. Sexismus in der Musik sollte man dort bekämpfen, wo Menschen bei klarem Verstand Musik konsumieren, die einen künstlerischen Anspruch hat – etwa im Rap.

Petition #FreeLayla: 25 000 Unterschriften

Ein Ballermann-König wie Ikke Hüftgold («Dicke Titten, Kartoffelsalat»), dessen Label Summerfield Records «Layla» herausbrachte, führt kein Bordell, sondern einen Gartenbaubetrieb. Die zwei Jungs, die im «Layla»-Musikvideo vor den Fachwerkbauten ihrer schwäbischen Heimat lächelnd und gehemmt die Zeilen «schöner, jünger, geiler» singen, sehen aus, als wären sie im echten Leben patente Kerle, die morgens pünktlich zur Arbeit erscheinen. Genau vor so einem Werktag soll einem der beiden im Halbschlaf der Text zu «Layla» eingefallen sein.

«Layla» ist nicht das Gröbste, was der Partyschlager verbrochen hat. Ihn für feministische Anliegen zu instrumentalisieren, schadet der Sexismusbekämpfung mehr, als dass es ihr hilft. Schon jetzt werden die Instrumente feministischer Aktivistinnen vom «Layla»-Lager zweckentfremdet. Nach dem Vorbild von #FreeBritney hat Summerfield Records die Petition #FreeLayla ins Leben gerufen. Bis Donnerstag haben 25 000 Menschen unterschrieben.