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Selbstverteidigungskurse an der Schule?  Aargauer Regierung sieht keinen Handlungsbedarf

Drei Aargauer Grossrätinnen möchten, dass an der Schule Selbstverteidigungstechniken vermittelt werden, damit sich Jugendliche vor sexuellen Übergriffen schützen können. Doch aus Sicht des Regierungsrats ist das der falsche Weg.

Um sich vor sexuellen Übergriffen zu schützen, soll im Sportunterricht an der Volksschule auch Selbstverteidigung vermittelt werden. Das wollen die drei Aargauer Grossrätinnen Annetta Schuppisser (GLP), Karin Koch Wick (Mitte) und Mia Jenni (SP).Im vergangenen Mai reichten sie ein entsprechendes Postulat ein.

Die Zahl an Vergewaltigungen in der Schweiz steige seit vielen Jahren, präventive Massnahmen seien dringend gefragt, argumentierten die Postulantinnen. «Der Bund führte selbst aus, dass die Aufnahme von Selbstverteidigungskursen in die Lehrpläne des obligatorischen Sportunterrichtes prüfenswert sei; dies allerdings durch die Kantone erfolgen müsste.»

Der Regierungsrat musste darlegen, ob und wie eine sich wiederholende, effektive Selbstverteidigungs-Lerneinheit in den Unterricht auf Sekundarstufe eingebettet werden kann. Diese würden an allen Aargauer Schulen flächendeckend den Schülerinnen und Schülern als Teil des regulären Unterrichts vermittelt. Auch mit dem Ziel, dass diese Grenzüberschreitungen frühzeitig erkennen und sich verbal und körperlich zur Wehr setzen können, heisst es im Postulat.

Schulen decken laut Regierungsrat einen Grossteil bereits ab

Der Regierungsrat kann flächendeckenden Kursen an der Schule wenig abgewinnen, wie aus seiner Antwort hervorgeht. Er bringt drei Hauptargumente:

Erstens sei Selbstbehauptung – sie ist aus Sicht des Regierungsrats zentraler als Selbstverteidigung – bereits ein wichtiger Bestandteil des Aargauer Lehrplans für die Volksschule. Sie umfasst neben der Stärkung des eigenen Selbstbilds, das Üben der bewussten Erkennung der eigenen Grenzen und Rechte von verbalen oder indirekten Angriffen (Beleidigungen, Mobbing etc.) sowie die Kommunikation derer nach aussen.

Über die gesamte Schulzeit aufbauend und altersgemäss würden Grundlagen zur sexuellen Bildung und Kompetenzen wie Selbstbild, Selbstbewusstsein, Selbstbestimmungsrecht und somit die Selbstbehauptung der Kinder und Jugendlichen gefördert, so der Regierungsrat.

Dementsprechend deckten die Regelschulen bereits «einen grossen Teil» der von den Postulantinnen als wichtig erachteten Massnahmen zur Vermeidung von Übergriffen ab, konkret: frühzeitige Erkennung von Grenzüberschreitungen, sich zur Wehr setzen, Sensibilität für Körper und Körperwahrnehmung. Aus Sicht des Regierungsrats besteht daher, was den Lehrplan betrifft, kein zusätzlicher Handlungsbedarf.

Falsche Sicherheit durch Fokus auf Selbstverteidigung

Zweitens schreibt der Regierungsrat in seiner Antwort, er gehe mit den Postulantinnen einig, dass der Schutz vor sexuellen Übergriffen wichtig sei. Allerdings werde im Postulat ein zu starker und alleiniger Fokus auf eine flächendeckende Einführung von regelmässigen Selbstverteidigungstechniken im Unterricht gelegt. «Dies ist aus Sicht des Regierungsrats unzureichend und kann sogar unerwünschte negative Effekte zur Folge haben.»

So könnten sich laut Regierungsrat mögliche Opfer in falscher Sicherheit wägen, obwohl selbst erfahrene Kampfsportlerinnen und Kampfsportler sich nicht vor heimtückischen Angriffen schützen könnten. Zudem bestehe die Gefahr, dass die vorwiegend jugendlichen Tatpersonen gleichermassen in Angriff und Abwehr gestärkt würden.

Drittens argumentiert der Regierungsrat, dass die Verantwortung für den Schutz der Kinder und Jugendlichen in erster Linie bei den Eltern liege. Dementsprechend liege es auch in deren Verantwortung einzuschätzen, ob der Besuch eines individuellen Selbstverteidigungskurses für ihr Kind ausserhalb der Regelschule sinnvoll ist.