«Big Brother is watching … the trees»: Warum jetzt sogar Bäume digital überwacht werden
Der Alltag der Menschen im 21. Jahrhundert ist von digitaler Technik durchdrungen. Bäume blieben dagegen von dieser Entwicklung verschont – bis jetzt. Doch nun erhält ihre digitale Überwachung in der Westschweiz Einzug. Im Rahmen eines Pilotprojekts werden derzeit in verschiedenen Gemeinden wie Yverdon-les-Bains, Morges und Sion insgesamt hundert Bäume mit Sensoren ausgerüstet. Konkret misst ein Gerät rund um die Uhr die Vitalität des Baumes und schlägt im Fall eines drohenden Sturzes via App bei den zuständigen Fachpersonen Alarm. Dadurch soll verhindert werden, dass Menschen in Gefahr geraten oder materielle Schäden entstehen.
«Der Baumbestand in Städten nimmt zu, um Wärmeinseln zu bekämpfen. Für die Behörden ist jedoch schwierig, den Gesundheitszustand von Hunderten oder Tausenden Bäumen zu überwachen und so Risiken in Folge von Baumstürzen zu antizipieren», erläutert Eric Amos die Hintergründe des Projekts. Er ist Professor an der Genfer Hochschule für Landschaft, Ingenieurwesen und Architektur (Hepia), welche das solarbetriebene Gerät zusammen mit dem Waadtländer Unternehmen Krebs Paysagistes entwickelt hat.
Es gab sogar Unfälle mit Todesopfern
Das Projekt wird von der Schweizer Agentur zur Förderung der Innovation (Innosuisse) unterstützt und zur Hälfte finanziert. Es stösst in der Romandie auf grosses Interesse: Rund ein Dutzend Gemeinde und Städte sind bereits Partner. Doch sind umstürzende Bäume wirklich ein derart drängendes Sicherheitsproblem?
Auf nationaler Ebene fehlen entsprechende Statistiken. Eine Medienrundschau von Krebs paysagistes SA ergab jedoch, dass es 2021 schweizweit neun Verletzte und zwei Tote nach Baumstürzen gab.
Die meisten Vorfälle gehen derweil – zum Glück – glimpflich aus. Im aktuellen Jahr kippte zum Beispiel in der Stadt Zürich am Hottingerplatz ein grosser Baum um und riss die Tram-Fahrleitung mit sich, ohne Verletzte zu verursachen. Ebenso war es bei einem Baumsturz auf der Hauptstrasse zwischen Genf und Lausanne in Bellevue im Juli.
Natürlich gebe es in der Schweiz nicht täglich solche Ereignisse, anerkennt Eric Amos. «Wir sind jedoch der Meinung, dass jeder Unfall im Zusammenhang mit Baumstürzen einer zu viel ist, sowohl hinsichtlich menschlicher Opfer als auch materieller Schäden.»
Statik des Baumes wird gemessen
Wie das entwickelte System zur Überwachung des Gesundheitszustandes von Bäumen genau funktioniert, kann Eric Amos aus Vertraulichkeitsgründen nicht verraten. Nur so viel: Es handelt sich um ein nicht-invasives Gerät, das aussen am Baumstamm befestigt wird und verschiedene Parameter misst, darunter die Statik des Baumes.
In den nächsten zwölf Monaten wird das System nun dank der Erfahrungen mit den ersten 100 Bäumen optimiert. Frühstens ab 2024 soll das Produkt dann auf den Markt kommen. Ziel sei es aber nicht, alle Bäume in der Schweiz mit den Sensoren auszustatten, betont Amos. «Das entwickelte System ist für Städte und Dörfer gedacht, um jene Bäume überwachen zu können, die aufgrund ihrer Grösse oder Lage ein grosses Schadenpotenzial besitzen.»