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Nach Trumps Abkehr: Mehr Europa in der Schweizer Sicherheitspolitik – Nationalrat verabschiedet Erklärung

Der Nationalrat füllt in stürmischen Zeiten das Vakuum, das der schweigsame Bundesrat hinterlässt: Er spricht sich in einer Erklärung für mehr sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Europa aus.

In atemberaubendem Tempo überrumpelt US-Präsident Donald Trump die Welt mit neuen Ankündigungen. Lieb gewonnene Gewissheiten geraten ins Wanken. Die USA sind nicht mehr bereit, die europäische Sicherheit in der Ukraine zu verteidigen. Sie stoppen die Waffenlieferungen an das von Russland attackierte Land, behalten Gemeindienstinformationen zurück und setzen den Präsidenten Wolodimir Selenski massiv unter Druck, einen Diktatfrieden mit Wladimir Putin zu schliessen.

In Europa jagen sich Krisengipfel. Länder wie Deutschland und Frankreich wollen sich weiter verschulden, um aufzurüsten. Und der britische Premier Keir Starmer versichert, Europa werde die Hauptlast zur Sicherung eines möglichen Friedens tragen.

Und Bern? Nach dem Eklat im Weissen Haus vor laufender Kamera zwischen Selenski und Trump beschränkte sich die offizielle Schweiz mit einem Tweet von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter: Unser Land setze sich für einen gerechten und nachhaltigen Frieden ein und verurteile Russlands Angriff auf einen souveränen Staat.

Jetzt füllt der Nationalrat das Vakuum, das der Bundesrat mit seiner weitgehenden Sprachlosigkeit hinterlässt. Am Donnerstag hat die grosse Kammer mit 115 zu 66 Stimmen eine Erklärung für eine eigenständige europäische Sicherheitspolitik und eine aktive Rolle der Schweiz gutgeheissen. Einzig die SVP stellte sich aus neutralitätspolitischen Überlegungen dagegen. Die FDP meldete einige Vorbehalte an, stimmte schliesslich aber praktisch geschlossen zu.

Direkte politische Auswirkungen hat der Beschluss keine. Es geht um Symbolik: Das Parlament bekundet seinen Willen, dass die Schweiz angesichts unsicherer geopolitischer Zeiten, einer Rückkehr der Machtpolitik und der bröckelnden transatlantischen Solidarität ein Zeichen setzt zugunsten eines starken Europas, das auf seinem Kontinent Frieden, Sicherheit, Demokratie und Menschenrechte gewährleisten soll.

Gemäss der Erklärung fordert der Nationalrat den Bundesrat etwa dazu auf, weitere Möglichkeiten zur sicherheitspolitischen Kooperation mit der EU zu prüfen, zum Beispiel im Rahmen der Europäischen Verteidigungsagentur, welche die EU-Staaten bei der Entwicklung ihrer militärischen Ressourcen unterstützt. Auch soll die Landesregierung die Position der Schweiz als Teil der europäischen Sicherheitsarchitektur stärken und die Zusammenarbeit in Bereichen wie Cybersicherheit, Katastrophenschutz und Friedensförderung intensivieren.

Der Initiant der Erklärung ist GSoA-Mitglied

Initiant der Erklärung ist der Zürcher SP-Nationalrat Fabian Molina. Dass ausgerechnet das GSoA-Mitglied, das die Schweizer Armee vor kurzem als «Trachtenverein» verspottete, zum Fürsprecher einer verstärkten europäischen Verteidigung mit helvetischer Unterstützung avanciert, rief die rechte Ratsseite auf den Plan.

Reto Nause (Mitte, BE) wollte wissen, ob die SP mehr Geld für die VBS-Kasse sprechen wolle. FDP-Fraktionschef Damien Cottier erinnerte die linke Ratsseite daran, dass ausgerechnet sie, welche die Erklärung lanciert habe, sich gegen eine Stärkung der Sicherheit der Schweiz stemme. Und Walter Gartmann (SVP, SG) monierte, die vorliegende Erklärung löse kein einziges Problem der Armee. Sie bringe ausser einer kurzen Meldung in den Medien null und nichts und diene schon gar nicht der Schweiz. Vielmehr brauche es jetzt «uns alle», um die beinahe kaputtgesparte Armee wieder auf Vordermann zu bringen.

Ganz anders argumentierte die Ratslinke. SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer entgegnete den Bürgerlichen, Panzer in der Schweiz seien die falsche Antwort. «Wir müssen dafür sorgen, dass sich die Ukraine weiterhin verteidigen kann, dass die Ukraine weiterhin für die Freiheit kämpfen kann.» Anstatt hierzulande aufzurüsten, könne die Schweiz bei der Rüstungsbeschaffung der Ukraine den Vortritt lassen – und dem Land humanitär und in anderen zivilgesellschaftlichen Bereichen helfen.

Via Asterix zur weltweiten Verantwortung

Nicole Barandun (Mitte, ZH) rief derweil dazu auf, in die Armee zu investieren und die Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern auszubauen. Die Neutralität dürfe kein Grund für Abschottung sein. «Wir sind nämlich nicht das gallische Dorf, und die Neutralität ist nicht der Zaubertrank, der uns beschützt oder unangreifbar macht.»

Balthasar Glättli (Grüne, ZH) schlug den Bogen von Asterix zu globalem Verantwortungsbewusstsein: «Es gibt Momente in der Weltgeschichte, bei denen man sich einfach nicht heraushalten kann.» Von links bis rechts sei man gefordert, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Ein Schritt dafür ist für Glättli eine Zustimmung zur Erklärung. Die Mehrheit der grossen Kammer tat ihm diesen Gefallen.