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Überraschung bei Ukraine-Diskussion: Andreas Glarner (SVP) und Irène Kälin (Grüne) sind sich in einem Punkt einig

Wie endet der Ukraine-Krieg? Diese Frage wurde am sicherheitspolitischen Anlass der Offiziersgesellschaft Aarau kontrovers diskutiert. Trotz aller Gegensätze auf dem Podium gab es auch eine erstaunliche Übereinstimmung beim Thema der Waffenlieferungen

«Es ist nicht zu erwarten, dass bald Friedensgespräche beginnen – ich würde mir das wünschen, aber es ist höchst unwahrscheinlich.» Das sagte Divisionär Claude Meier, höherer Stabsoffizier an den Genfer Zentren für Friedens- und Sicherheitspolitik, am sicherheitspolitischen Anlass der Offiziersgesellschaft Aarau. Thema dort war der Ukraine-Krieg, genauer die Frage, wie dieser enden könnte.

Meier sagte, der russische Angriff vor mehr als 630 Tagen sei eine grosse Überraschung gewesen, die wenigsten Experten hätten damit gerechnet. Ebenso überraschend wäre aus seiner Sicht ein rasches Ende des Krieges, denn weder Russland noch die Ukraine seien zu Gesprächen bereit. Zudem herrsche eine militärische Pattsituation, die ukrainische Offensive sei festgefahren, ohne grosse Erfolge erzielt zu haben.

Ex-Verteidigungsattaché: «Ich habe keine Kristallkugel»

Bruno Russi, ehemaliger Verteidigungsattaché der Schweiz in Russland, beurteilt die Situation ähnlich. «Ich habe keine Kristallkugel», sagte er und ergänzte, heute lasse sich nicht voraussagen, wie der Krieg enden werde. Er sehe keine substanziellen Fortschritte bei den zwei wichtigsten Zielen der ukrainischen Offensive: Weder sei es gelungen, die Front im Süden zu teilen, noch habe es die Ukraine geschafft, russische Nachschublinien in Reichweite ihrer Artillerie zu bekommen.

Bruno Russi, ehemaliger Verteidigungsattaché der Schweiz in Russland, sieht weit auseinander liegende Positionen der Kriegsparteien.
Bild: Alex Spichale

Die Bedingungen der beiden Kriegsparteien für Friedensverhandlungen lägen zudem meilenweit auseinander, gab Russi zu bedenken. Während die Ukraine einen Abzug der russischen Truppen auf die Grenzen von 1991 verlange, fordere Wladimir Putin die Anerkennung der eroberten ukrainischen Gebiete als Teil von Russland. Auch die Friedenspläne anderer Länder, wie China oder der USA, seien höchst unterschiedlich.

Zwei gegen zwei auf dem Podium

Ebenso verschieden waren die Positionen bei der anschliessenden Podiumsdiskussion, die von Ex-SRF-Moderator Reto Brennwald geleitet wurde. Auf der einen Seite sassen SVP-Nationalrat Andreas Glarner und Jacques Baud, ehemaliger Analyst des Schweizerischen strategischen Nachrichtendienstes – auf der anderen Grünen-Nationalrätin Irène Kälin und der russisch-stämmige Schriftsteller Alexander Estis.

SVP-Nationalrat Andreas Glarner hält ein Kriegsende ohne ukrainische Landabtretungen für unmöglich.
Bild: Alex Spichale

Sie diskutierten kontrovers und ausführlich über den Auslöser des Krieges, die Rolle von Nato und USA, den Status der Krim und die gebrochene russische Zusage, die Grenzen der Ukraine zu respektieren, nachdem diese ihre Atomwaffen abgegeben hatte. Während sich Kälin und Estis klar auf die Seite der Ukraine stellten, mahnten Glarner und Baud immer wieder Verständnis für die russische Seite an.

Soll die Ukraine Gebiete an Russland abtreten?

Bei der Frage des Abends, wie der Krieg enden könnte, zeigten sich weit auseinander liegende Positionen. SVP-Nationalrat Glarner sagte, es werde kaum ohne Gebietsabtretungen der Ukraine gehen. Man müsse die Fakten akzeptieren, Russland sei militärisch so stark, dass die Rückeroberung der ukrainischen Gebiete nur mit einem riesigen Blutzoll möglich wäre.

Grünen-Nationalrätin Irène Kälin sieht Landabtretungen als Einladung an andere Autokraten, künftig Grenzen mit Gewalt zu verschieben.
Bild: Alex Spichale

Grünen-Nationalrätin Kälin widersprach entschieden und fragte, ob Glarner auch Teile der Schweiz abgeben würde, wenn unser Land in der gleichen Situation wäre. Eine solche Lösung wäre ein verheerendes Zeichen und würde Autokraten und Diktaturen weltweit ermutigen, die Grenzen mit militärischer Gewalt zu verschieben, sagte sie.

Waffenlieferungen als Lausbubenstück

Schriftsteller Estis sagte, er gebe wenig auf die Prognosen von Militärexperten, diese hätten zu Kriegsbeginn gesagt, die Ukraine werde sich nur wenige Wochen halten. Man könne mit Russland nur aus einer Position der Stärke heraus verhandeln, hielt er fest. Nur dann sei gewährleistet, dass Putin auch das tue, was er sage.

Schriftsteller Alexander Estis sagte, mit Russland solle man nur aus einer Position der Stärker heraus verhandeln.
Bild: Alex Spichale

Ex-Analyst Baud sagte, der Konflikt brauche neutrale Elemente, derzeit habe die Türkei die Vermittlerrolle übernommen. Er finde es schade, dass die Schweiz die Sanktionen gegen Russland mittrage, damit sei man nicht neutral. «Waffen sollten wir nicht liefern», sagte Baud und wiederholte, die Schweiz sollte auch bei künftigen Kriegen ein Ort sein, um Verhandlungen zu führen.

Ex-Analyst Jacques Baud wünscht sich die Schweiz als neutrale Vermittlerin und kritisierte die Russland-Sanktionen.
Bild: Alex Spichale

In einem Punkt wurden sich Kälin und Glarner indes einig: Die Schweiz sollte keine Waffen an Drittstaaten liefern, welche die Ukraine militärisch unterstützen. Die Grüne sagte, jetzt Panzer nach Deutschland zu verkaufen, damit dort in die Ukraine geschickte Exemplare ersetzt werden könnten, wäre ein politisches Lausbubenstück. Glarner pochte auf die absolute Neutralität der Schweiz, die einen solchen Ringtausch ausschliesse.