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Sie holten die Mutter Galina in Moldavien ab und packten die zwei Büsi gleich mit ins Auto

Die Ukrainerin Nelli Kunz lebt schon länger in Wikon und stammt aus der ukrainischen Hafenstadt Odessa. Wie sie und ihre Familie den Krieg durchleben. Und warum die 40-Jährige in letzter Zeit öfters auf der Marienburg weilt.

Momentan lernen wir die Ukrainer kennen, ein Volk, mit dem die Schweiz bisher wenig Berührungspunkte hatten. Nelli Kunz ist wohl die einzige Ukrainerin, die schon vor dem Krieg im Nachbardorf von Zofingen lebte. 

Familie Kunz lebt in einem Einfamilienhäusche mit schöner Aussicht über das Dorf Wikon. Gastfreundschaft wird gross geschrieben: Nelli Kunz und ihre Mutter Galina haben extra einen Zitronen-Kuchen fürs ZT gebacken. Daneben liegt ein Bild mit «Bereginiy», einer Art ukrainischer Helvetia in einer Tracht, und ein in den Nationalfarben gelb-blau bemalter kleiner Stein. «Für Sie», sagt Nelli.

Zwei Katzen wuseln dem Reporter um die Füsse, das lebhafte zweijährige Söhnchen Nathan freut sich ebenfalls über den Besuch. Eine Familienidylle – wenn nicht dieser fürchterliche Krieg wäre. «Es ist absurd…», sagt die 40-Jährige Ukrainerin, «ich weiss nicht, wie wir ihnen das jemals vergeben werden.» Dabei seien Ukrainer und Russen sich immer nahe gewesen. Sie sprach neben Ukrainisch Russisch in ihrer Heimat Odessa und hatte viele russische Freunde.

Sie lernten sich auf einem Roadtrip durch die Ukraine kennen

Eine Rückblende in friedliche Zeiten: Nelli und Philipp Kunz lernten sich vor zehn Jahren in Odessa am Schwarzen Meer kennen. «Ich war 2012 auf einem Roadtrip durch die Ukraine und hatte bereits andere osteuropäische Länder besucht, Westeuropa kannte ich schon. Wir reisten auf die Krim, danach nach Odessa, die Stadt galt damals als die Partymetropole in dieser Region», erklärt der 44-jährige Ehemann Philipp Kunz.

In einer Disco lernten sich beide kennen und es funkte. Nach einem Jahr Fernbeziehung kam Nelli in die Schweiz, sie heirateten und gründeten eine Familie. Das Ehepaar hat heute zwei Kinder, der siebenjährige Sohn Gregory besucht die erste Klasse.

Meine Schwester ist Offizierin in der Armee. Mein Vater ist ebenfalls ein Patriot und ist bei ihr geblieben.

Nelli Kunz

Ukrainerin in der Schweiz

Nelli Kunz hat in der Ukraine als Managerin bei einer Bank gearbeitet. Sie hat sich eingelebt im ländlichen Wikon, wenn ihr zuweilen auch die Millionen-Stadt am Meer fehlt. Vom Krieg in ihrer Heimat ist sie direkt betroffen. «Meine Schwester ist Offizierin in der Armee», erzählt sie. Ihre Stimme stockt. Sie kämpft mit den Tränen. «Auch mein Vater ist ein Patriot und ist bei ihr geblieben.» Die niedergehenden Raketen, die Strassenkämpfe, die Angst um ihre Verwandten und der unbegreifliche Überfall auf ihr Land: All das ist für sie schwer zu ertragen.

Ein Zitronenkuchen, den Mutter Galina öfters für Gäste bäckt.
Bild: Marc Benedetti

Sie holten die Mutter und zwei Katzen in Moldawien ab

Als es immer schlimmer wurde, fuhr Philipp Kunz mit seinem Vater anfangs März mit dem Auto rund 2500 Kilometer weit ins Nachbarland Moldavien und holte die Mutter von Nelli in der Hauptstadt Chişinău ab. «Sie wollte zuerst nicht kommen. Doch schliesslich haben wir sie überzeugt, dass es in der Schweiz sicherer ist», sagt Kunz. Auch die Hauskatzen Simba und Marzig wurden mit ins Auto gepackt, bevor es zurück in die Schweiz ging.

Als sie hörte, dass ukrainische Flüchtlinge auf die Marienburg nach Wikon kommen würden, hat Nelli Kunz sich sodann spontan auf der Gemeinde gemeldet und ihre Hilfsbereitschaft angeboten. Beispielsweise mit der Sprache. Bisher war es aber noch nicht nötig.

Kontakt mit Schutzsuchenden auf der Marienburg

Sie hat die Frauen und Kinder besucht, als sie frisch ankamen. «Sie fragten mich, wo sie denn Kaffee kaufen könnten, den sie mahlen wollten», erzählt Kunz. Sie trifft sich mittlerweile regelmässig mit ein paar Frauen der Marienburg, um sich ein wenig auszutauschen – über Wikon, die Schweiz oder allgemeines. Im Internat des ehemaligen Frauenklosters leben laut Auskunft des Kantons Luzern aktuell rund 70 Personen, mehrheitlich Frauen und Kinder.

Was die Ukrainerin ebenfalls beschäftigt: Der Kontakt mit russischen oder weissrussischen Bekannten, mit denen sie vor dem Krieg gut auskam, ist nun schwierig bis unmöglich geworden. Die Meinungen seien gemacht. Als sie ihre Heimat in den Sozialen Medien verteidigte, wurde sie schon von Personen angefeindet. «Es gibt in diesem Krieg nur noch Schwarz oder Weiss, keine Grautöne mehr», sagt Kunz nachdenklich.

Die Ukrainerin malt gerne Steine in den Nationalfarben ihres Landes an und verteilt sie. Einen hat sie auf dem Heitere platziert. «Er war rasch weg und ward nie mehr gesehen», sagt sie, und diesmal huscht ein Lächeln über ihr Gesicht.

«Bereginiy», eine Art ukrainische Helvetia in einer Tracht.
Bild: zvg

Rezept für Frau Galinas «Limonnikkuchen» (Zitronenkuchen)

Teig:
200 g Butter
350 bis 400 g Mehl
150 ml Wasser
6 g Trockenhefe
20 g Zucker
Salz
Füllung:
2 Zitronen
300 g Zucker
1 Löffel Maisstärke
Mandelmehl und Mandelblätter


Den Teig homogen kneten und an einem warmen Ort aufgehen lassen, mit einem feuchten Handtuch abdecken. Teig nicht schlagen. Füllung: Zitronen in kochendem Wasser eine Minute kochen, um die Bitterkeit loszuwerden. Die Zitronen anschliessend ohne Kerne und mit Schale zerkleinern und mit Zucker und Maisstärke vermischen.
Den Teig in zwei Hälften teilen und ausrollen. Einen Teil aufs Backblech legen. Wenig Mandelmehl und Mandelblätter zustreuen. Die Füllung dazugiessen und mit der zweiten Teigschicht verschliessen. An den Enden und oben einstechen und im Ofen bei 180°C 20-30 Minuten backen. Mit Puderzucker bestreuen und fertig.