Sie wollte im Tankstellenshop in Sins keine Maske tragen: Freiämterin muss 3000 statt 600 Franken zahlen
Die 58-jährige Marianne (Name geändert) wollte am Mittwoch, 24. März 2021, über Mittag nur rasch im Sinser Migrolino-Shop eine Kleinigkeit einkaufen. Vermutlich nervte sie sich über die geltende Maskenpflicht, die aufgrund der Coronapandemie damals noch galt. Sicher ist: Sie zog keine Schutzmaske an.
Vielleicht hat ihr im Laden jemand gesagt, dass eigentlich Maskenpflicht galt, vielleicht hat sie auch nur böse Blicke erhalten. Auf jeden Fall reagierte sie weder auf das eine noch auf das andere. Denn am nächsten Tag, dem Donnerstagmittag, war sie um etwa die gleiche Zeit wieder im Shop, wieder ohne Maske.
Prompt wurde Marianne angezeigt, im August 2021 flatterte ihr ein Strafbefehl der Oberstaatsanwaltschaft Aargau ins Haus, der sie zu 200 Franken Busse und 400 Franken Gebühren verdonnerte. Der Grund dafür: Sie hatte die «Verordnung über Massnahmen in der besonderen Lage zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie» mehrfach verletzt. Das sah Marianne aber überhaupt nicht ein. Sie erhob Einsprache. Also kam ihr Fall vor Gericht.
Sie verlangte Freispruch plus 800 Franken Entschädigung
Und zwar vors Bezirksgericht in Muri, das für das Oberfreiamt zuständig ist. Allerdings kam sie da nicht weit. Das Bezirksgericht war im Dezember 2021 derselben Meinung wie die Oberstaatsanwaltschaft, packte ihr allerdings zur Busse noch Verfahrenskosten von 1250 Franken obendrauf.
Wieder war Marianne überhaupt nicht einverstanden mit dem Urteil. Ob sie sich im Recht sah oder das Urteil aus Prinzip anfechten wollte, ist unbekannt. Klar ist: Sie legte Berufung ein und zog es vors Obergericht weiter. Sie forderte nicht nur, dass das Urteil aufgehoben und die Verfahrenskosten von den Gerichten bezahlt würden. Sie verlangte zudem 800 Franken aussergerichtliche Entschädigung vom Obergericht. Das war im März 2022.
Jetzt liegt das Urteil des Obergerichts vor. So viel sei bereits verraten: Marianne erhält weder das eine noch das andere.
Die Busse hätte bis zu 10’000 Franken betragen können
Dabei fährt Marianne vor dem Obergericht noch mehr Argumente auf. Beispielsweise findet sie, dass die Missachtung der vom Bundesrat angeordneten Maskenpflicht nicht bestraft werden könne, «da derzeit keine Maskenpflicht im öffentlichen Raum mehr bestehe», wie es im Obergerichtsurteil heisst. Die Richter kontern jedoch: «Lediglich, weil das Gesetz bzw. die Verordnung zwischen der Verübung und der Beurteilung der Tat ausser Kraft getreten ist, profitiert sie von diesem Umstand nicht.»
Zusätzlich prangert Marianne den Bundesrat direkt an. Sie findet, dass die gesetzlichen Bestimmungen fehlen, damit der Bundesrat während der Coronazeit ständig seine Bestimmungen hätte ändern können. Über 30-mal in zwei Jahren habe er dies getan, das verstosse selbst gegen das Gesetz.
Doch auch da widerspricht ihr das Obergericht. Der Bundesrat habe in der besonderen Lage auf jeden Fall das Recht, die Bestimmungen anzupassen. Ausserdem weist das Obergericht darauf hin, dass Marianne klar vorsätzlich gehandelt habe, denn damals sei ganz klar gewesen, dass Bussen verhängt werden, wenn sich jemand weigert, eine Maske im öffentlichen Innenraum anzuziehen. Und zwar Bussen von bis zu 10’000 Franken.
Wird sie das Urteil ans Bundesgericht weiterziehen?
Zum Schluss führt das Obergericht in seinem Urteil auf, dass Marianne nicht abstreite, den Shop damals ohne Maske betreten zu haben. Und: «Die Beschuldigte bringt vor Obergericht nicht mehr vor, dass sie aus medizinischen oder anderen besonderen Gründen keine Gesichtsmaske tragen könne.» Somit sind für das Obergericht sämtliche Tatbestände erfüllt.
Allerdings hält auch das Obergericht die Tat nicht für sehr schlimm, denn es findet die 200 Franken angemessen, die Marianne als Busse auferlegt worden sind. Hätte Marianne schon anfangs bezahlt, wäre sie mit 200 Franken Busse plus 400 Franken Verfahrenskosten noch relativ glimpflich davongekommen.
Jetzt jedoch wird es deutlich teurer. Die Busse bleibt bei 200 Franken. Doch neu kommen dazu nicht mehr nur die Verfahrenskosten des Bezirksgerichtes Muri, die 1250 Franken umfassen, sondern ausserdem 1558 Franken Verfahrenskosten des Obergerichts. Das macht total 3008 Franken, die Marianne berappen muss, weil sie zweimal über Mittag keine Maske im Tankstellenshop tragen wollte. Ein happiger Betrag.
Nun hat Marianne die Möglichkeit, das Urteil ans Bundesgericht weiterzuziehen. Ob sie das vorhat, ist noch nicht bekannt.