Schweizer Techniker verfolgen die Norweger-Festspiele von den bestmöglichen Logenplätzen
Dieser erste Lauf von Atle Lie McGrath war einmal mehr eine Augenweide. Der Norweger deklassierte auf dem anspruchsvollen Slalomhang in Wengen die Konkurrenz. Und für einmal hielten beim 24-jährigen Supertalent auch im Final die Nerven. McGrath rettete 18 Hundertstelsekunden auf seinen Landsmann Timon Haugan ins Ziel und feierte nach einer beinahe zweijährigen Durststrecke seinen dritten Weltcupsieg.
Die Traumbilanz der norwegischen Stangenkünstler in Wengen erhielt heuer sogar ein Upgrade. In den vergangenen zehn Jahren holten die Wikinger am Lauberhorn 50 Prozent aller Slalomsiege. Nun beanspruchten sie mit McGrath, Haugan und Kristoffersen gar das komplette Podium. Was die Schweizer im Speed aufführen, zeigen die Norweger im Slalom. Zehn Podestplätze in sieben Rennen lautet ihre bisherige Saisonbilanz. Da konnte man sogar den bittere Tränen weinenden Alexander Steen Olsen verkraften. Der 23-jährige Ausnahmefahrer mit dem Handicap einer chronischen Knieentzündung schied einmal mehr im zweiten Durchgang aus.
Ebenso geschlossen wie die Skandinavier klassierten sich die Schweizer Slalomhoffnungen. Nur eben mit minimalem Abstand neben dem Podest. Quasi auf den Logenplätzen der Norweger-Festplätze. Äusserst knapp verfehlte Tanguy Nef das angestrebte Ziel. Für den 28-jährigen Genfer war Rang 4 gleichbedeutend mit dem besten Ergebnis der Karriere. Entsprechend war er sehr zufrieden damit, endlich wieder einmal zwei gute Läufe ins Ziel gebracht zu haben.
Alle drei Schweizer haderten ein wenig
Ein wenig Ärger schwang beim Loïc Meillard und bei Daniel Yule mit. Meillard missriet der erste Lauf komplett (24. Rang). Er revanchierte sich mit Laufbestzeit im zweiten Durchgang, war da beispielsweise 1,29 Sekunden schneller als Sieger McGrath. Er sei am Morgen bereits beim zweiten Tor aus dem Rhythmus gekommen und habe es nie geschafft, diesen wiederzufinden, erklärte der konstanteste Schweizer Slalomfahrer. «Im zweiten Lauf habe ich mich deutlich wohler gefühlt. Mit dieser Ausgangslage nach dem ersten Lauf darf ich mit Rang 5 sehr zufrieden sein.»
Daniel Yule haderte im Ziel mit dem Schlussteil seines zweiten Laufs. Bis zur letzten Zwischenzeit lag er auf Podestkurs. Doch der letzte Übergang geriet nicht nach Wunsch und dies spülte ihn auf Platz 6 zurück. Der Walliser meinte im Interview, bis am Abend sei sein Ärger der Freude über das Resultat gewichen. Und als ihn ein Journalist auf den kommenden Slalom in Kitzbühel ansprach, huschte bereits wieder ein Lachen über Yules Gesicht. Der Slalom am Ganslernhang hatte er 2020 und 2023 gewonnen.
Auch Tanguy Nefs Rennbilanz fiel trotz Bestresultat nicht frei von Eigenkritik aus. Er startete zu verhalten ins Rennen, lieferte im ersten Sektor nur die zweitschwächste Zeit aller 30 Starter ab, verlor auf zehn Fahrsekunden auch ohne erkennbaren Fehler über eine halbe Sekunde auf die Besten.
Auf die Frage, ob er nun im nächsten Rennen 100 Prozent Attacke wähle, antwortete Nef: «Felix Neureuther hat mir einmal gesagt, 100 Prozent seien im Slalom zu viel. Also werde ich versuchen, anstatt 92 Prozent beim nächsten Mal 95 Prozent zu geben.»