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«Es bleibt beschissen, aber …»: Das sagt Niels Hintermann über seine Krebserkrankung

Niels Hintermann ist an Lymphdrüsenkrebs erkrankt. Der 29-Jährige verpasst die ganze Weltcup-Saison. Die Prognose sei zwar «extrem gut», sagt der Abfahrer. Dennoch stellte er sich existenzielle Fragen.

Er wirkt gefasst, zuversichtlich, fast optimistisch, als Niels Hintermann am Mittwoch vor die Medien tritt. Dabei ist die Nachricht, die er verkündet, ein Schock. Der Abfahrer ist an Lymphdrüsenkrebs erkrankt. Entdeckt wurde der Tumor links am Hals sowie gleich daneben unter dem Schlüsselbein bei einer Routineuntersuchung. Zuvor hatte ein Physiotherapeut im Trainingslager in Südamerika einen Knoten am Hals wahrgenommen.

Der 29-Jährige wird sich in den kommenden Monaten in eine ambulante Chemo- und Radiotherapie in der Klinik Hirslanden begeben und die ganze Saison verpassen. Die Therapie sowie die Rehabilitation werden voraussichtlich sechs Monate in Anspruch nehmen. Darauf angesprochen, mit welchen Gedanken er auf die kommende Zeit sieht, sagt er: «Dass es danach vorbei ist.» Sein Ziel sei die Rückkehr in den Weltcup.

Niels Hintermann, wie geht es Ihnen nach der Krebsdiagnose?

Niels Hintermann: Ich hätte mir andere Umstände gewünscht. Aber es ist nun einmal so. Natürlich war das für uns alle ein Schock. Damit hätten wir nicht gerechnet. Chemo und Bestrahlung werden wohl zwei bis drei Monate in Anspruch nehmen, die Saison ist für mich damit gelaufen. Das Gute ist: Ich habe keine Symptome. Es ist ein dankbarer Zufall, dass man den Tumor überhaupt gefunden hat. Denn diese Art von Krebs ist nicht so einfach zu diagnostizieren.

Wie stehen Ihre Heilungschancen?

Extrem gut. Obwohl es sich um eine sehr seltene Erkrankung handelt (Hintermann ist an einem so genannten Hodgkin-Lymphom erkrankt, Anm. d. Red.), haben wir sie gut unter Kontrolle. Die Ärzte sind sehr zuversichtlich, dass erstens alles weggehen wird und dass ich zweitens auch nicht mit Langzeitfolgen rechnen muss.

Was ist in Ihnen vorgegangen, als Sie die Diagnose erhalten haben?

Der Sport rückt in den Hintergrund, nicht nur an zweite Stelle, sondern weit nach hinten. Ich stand sehr gut auf dem Ski, habe mich sehr wohl gefühlt. Und dann macht das Leben eine Wende um 180 Grad. Da stellt man sich existenzielle Fragen: Was heisst das für das Leben? Hat es überhaupt eine Zukunft? Doch mein Arzt, Walter Frey, hat schnell gesagt, dass mein Leben nicht in Gefahr sei. Das hat für etwas Ruhe gesorgt. Aber das Thema bleibt sehr heikel und ernst. Es war keine einfache Zeit bis zur Besprechung mit dem Onkologen.

Welche Rolle spielte in diesem Moment Ihr Umfeld?

Die Diagnose ist und bleibt schockierend, allerdings bin ich unendlich dankbar, dass diese Art von Krebs sehr gut heilbar ist und dass ich auf sehr grosse Unterstützung meiner Frau, meiner Familie, des Verbands und natürlich meiner Ärzte zählen darf. Wir ziehen alle an einem Strang und das wird mir Kraft geben, diese schwierige Zeit zu überstehen. Nun gilt es den einzig wichtigen Kampf zu überstehen.

Sie waren schon öfter verletzt, haben schon einmal eine ganze Saison wegen einer Blessur an der Schulter verpasst. Inwiefern unterscheidet sich die Krebserkrankung für Sie von einer Verletzung?

Wenn man einen Bruch hat, das Kreuzband gerissen oder Probleme mit der Bandscheibe, hat man eine Vorstellung davon, was das bedeutet, wie lange man pausieren muss und was auf einen zukommt. Mit Krebs hatte ich bisher keine Berührungspunkte, weder in der Familie noch im Freundeskreis. Entsprechend erschrocken und nervös geworden bin ich mit Blick auf die kommende Zeit.

Anfang März gewann Niels Hintermann zeitgleich mit dem Kanadier Cameron Alexander die Weltcup-Abfahrt in Kvitfjell.
Gabriele Facciotti / AP

Wie waren die Reaktionen innerhalb der Skifamilie?

Alle waren schockiert. Das ist etwas, mit dem man nicht rechnet. Für die Familie war es aber sehr gut, dass ich am Freitag eine Konsultation hatte, die für Ruhe und Klarheit gesorgt hat, was nun auf mich und uns zukommt. Ich habe mir schon einen Plan zurechtlegen können.

Können Sie beschreiben, mit welchen Gefühlen Sie auf die nächsten Monate mit Chemotherapie und Bestrahlung blicken?

Mit dem Gefühl, dass es in zwei, drei Monaten vorbei ist. Es bleibt beschissen, kein Thema. Aber es gibt viel positive Nachrichten: Erstens, es ist heilbar, das ist das wichtigste. Zweitens, das Leben danach wird nicht betroffen sein. Drittens, einer Rückkehr in den Sport steht nichts im Weg. Im ersten Moment habe ich sehr schlechte Karten gezogen. Aber die zweite Karte sieht extrem gut aus.

An einen Rücktritt haben Sie nie gedacht?

Nein. Es ging für mich in diesem Moment nicht um den Sport, sondern um die Frage, ob mein Leben bedroht ist, und später, wie es in Zukunft aussehen wird. Ich habe nie Zeit für diesen Gedanken verschwendet.

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