Erstmals auf dem Engelberger Podest: Gregor Deschwanden lässt sich auch von Grippe und Druck nicht stoppen
Es seien ja nur 15 Sekunden, in denen er parat sein müsse, sagt Gregor Deschwanden. Der 33-Jährige kämpft seit Donnerstag mit einer Grippe. Fieber, Husten, Schüttelfrost – der Hausarzt würde ihn ohne Zögern für eine Woche arbeitsunfähig schreiben. Aber gewiss nicht über eine Sprungschanze schicken.
Doch der Lauf des während Jahren im Schatten von Simon Ammann und später Kilian Peier stehenden Sportlers geht auch mit diesen Voraussetzungen weiter. Selbst den Druck der Erwartungshaltung wischt er scheinbar mühelos weg. Alles geht derzeit locker von der Hand. Wobei Deschwanden zugibt: «Als ich oben auf der Schanze ins Freie trat, war ich dann doch nicht so entspannt wie bisher in dieser Saison».
Doch der Horwer widerstand der Versuchung, vor Heimpublikum noch etwas mehr zu wollen, noch aggressiver über den Schanzentisch zu kommen. Der verpatzte Sprung im Probedurchgang war ihm diesbezüglich eine Lehre.
Gregor Deschwanden sagte über seine Engelberger Premiere: «Ich bin sehr glücklich mit diesem Podestplatz unter erhöhtem Druck.» Aber mit dem Essen kommt der Hunger. Der Horwer sprach im Zielgelände auch davon, dass man als Athlet ja eigentlich antrete, um zu gewinnen.
Wo Deschwanden die Energie für den dritten Podestplatz in dieser Saison – nur bezwungen von den beiden Österreichern Jan Hörl und Daniel Tschofenig – hernahm, bleibt sein Geheimnis. Aufgrund seines geschwächten Körpers verzichtete er sogar auf das morgendliche Krafttraining zur Mobilisation und hielt die Sprungvorbereitung auf minimaler Sparflamme.
Dafür musste der 33-Jährige vor dem Wettkampf deutlich mehr elektrolythaltige Getränke zu sich nehmen. Denn bei einem Skispringer sind zwei durchgeschwitzte Nächte unter Umständen ziemlich problematisch, um das reglementarische Minimalgewicht nicht zu unterschreiten. Ansonsten drohen Sprünge mit kürzeren Skis.
Deschwanden sagt, er bewege sich diesbezüglich in der Regel stets mit Reserve, bringe eineinhalb bis zwei Kilogramm mehr auf die Waage als gefordert. «Das hat mich heute gerettet. Wäre ich gewichtsmässig ständig am Limit, dann hätte es nicht gereicht. »
An der Pressekonferenz verriet der Innerschweizer zudem, dass Simon Ammann nach dem Springen in Ruuka in Bezug auf Deschwandens sechsten Platz auf einer anderen Problemschanze trocken zu ihm sagte: «Das habe ich jetzt nicht erwartet».
Während die Skisprung-Legende die Engelberger Podestpremiere seines Teamkollegen aus der Zuschauerwarte miterleben musste, weil es der 43-Jährige in der freitäglichen Qualifikation nicht in die ersten 50 schaffte, durfte Kilian Peier zumindest im Finaldurchgang noch einmal antreten. Der WM-Dritte von 2019 nimmt nach seinem Kreuzbandriss von 2020 endlich wieder Anlauf in Richtung Weltspitze. In Engelberg reichte es zu Platz 22, was den 29-Jährigen trotzdem leicht enttäuschte, weil er technisch in seinem Sprung noch Baustellen habe.
Schanzenrekord bei den Frauen
Im Weltcupspringen der Frauen holte sich die Slowenin Nika Prevc neben dem Tagessieg auch noch den Schanzenrekord dank ihrem Sprung auf 140 Meter. Die 19-Jährige hatte bereits vor einem Jahr in Engelberg triumphiert. Ihre gute Form stellte die jüngere Schwester von Ex-Olympiasieger Peter Prevc zudem bereits Mitte November mit ihrem Sieg beim Weltcupspringen in Lillehammer unter Beweis.
Sina Arnet aus Engelberg schaffte es als einzige Schweizerin in den ersten Durchgang. Die Zürcher Oberländerin Rea Kindlimann verpasste den Cut der besten 40 als 47. in der Qualifikation deutlich. Die 22-Jährige wartet weiterhin auf den ersten Auftritt in einem Weltcupspringen. «Mein nächstes Ziel ist, mich endlich einmal für einen Weltcup zu qualifizieren. Mal schauen, ob es am Sonntag in Engelberg klappt. Das wäre sehr cool», sagte Kindlimann.
Nach dem ersten Durchgang war aber auch für Arnet Schluss – als 36. qualifizierte sie sich nicht für den zweiten Durchgang. Bei ihrem Saisoneinstand im Rahmen des Weltcups vor einer Woche in China realisierte die 19-Jährige Rang 37. Der beste Sprung gelang der Lokalmatadorin in der Qualifikation. Beim Wettkampfsprung «fehlte mir hingegen ein wenig die Überzeugung».