
Der Ständerat wagt eine kleine Revolution in der Gesundheitspolitik
Es gibt in der Schweiz zu viele Spitäler, da sind sich die meisten Politikerinnen und Politiker einig. Eine Konzentration findet zwar statt, wie Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider am Mittwoch im Ständerat sagte. «Die Zahl der Betten sinkt. Und es findet eine Bewegung von kleinen hin zu grösseren Strukturen statt.»
Doch dem Ständerat reicht diese Politik der kleinen Schritte nicht: Mit überwältigender Mehrheit und ohne Gegenrede aus dem Plenum entschieden die Kantonsvertreter mit 41 zu 2 Stimmen, die Schraube anzuziehen. Konkret müssen die Kantone nicht nur die Spitalplanung, sondern auch die Leistungsaufträge innerhalb von Versorgungsregionen aufeinander abstimmen. Falls sie dem Auftrag nicht nachkommen, soll der Bund die Planung übernehmen.
In der Gesundheitspolitik bedeutet dieser Entscheid eine kleine Revolution. Denn die Verfassung gibt vor: Die Gesundheitsversorgung obliegt den Kantonen. Und sie verteidigten diesen Föderalismus bisher auch auf nationaler Ebene. So war der Thurgauer Gesundheitsdirektor Urs Martin noch Anfang Jahr überzeugt,dass eine überregionale Planung «spätestens im Ständerat scheitern» würde.
Gärtlidenken führt zu Überkapazitäten

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Jetzt hat sich genau dieser Ständerat für eine Verschärfung entschieden. Nach den Gründen braucht man nicht lange zu suchen: Die Spitalkosten machen rund einen Drittel der Gesundheitskosten von bald 100 Milliarden Franken jährlich aus. Und angesichts der hohen Dichte an Spitälern in gewissen Gebieten macht eine bessere Absprache durchaus Sinn.
SVP-Ständerätin Esther Friedli (SG) erklärte stellvertretend für die Kommission: «Das kantonale Gärtlidenken führt zu einem schädlichen Wettbewerb.» So würden Angebote unkoordiniert ausgebaut, dadurch erzeugten die Spitäler Überkapazitäten, die wiederum zu unnötigen Behandlungen und zunehmenden Gesundheitskosten führen. «Die Kantone müssen jetzt verbindlich verpflichtet werden, überregional zu planen.»
Kurz: Der Geduldsfaden ist gerissen. Die nationale Politik will dem Lavieren der Kantone nicht mehr länger zuschauen. Dass die Gesundheitsdirektoren daran keine Freude haben, erklärte der Basler Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger jüngst in einem Meinungsbeitrag:Es werde unterschlagen, dass die stationären Spitalkosten zuletzt kaum gewachsen seien.

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Ausserdem gebe es bessere Anknüpfungspunkte, um den Wettbewerb zwar hochzuhalten, aber Überkapazitäten zu vermeiden, erklärt der Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz weiter. Als Beispiele nennt er, die Beschwerderechte der Spitäler einzuschränken, wenn sie einen Leistungsauftrag vom Kanton nicht mehr erhalten. Oder den Vertragsspitälern, die nicht auf den kantonalen Spitallisten stehen, die Abrechnung über die obligatorische Krankenversicherung zu verbieten.
Den Kantonen bleibt noch eine Chance
Das Lobbying kommt zu spät – oder gar nicht an. Womöglich wurden die kantonalen Regierungen vom Vorstoss auch überrumpelt: Diesen hat die ständerätliche Kommission im Januar erarbeitet, zwei Monate später ist er durch den ersten und entscheidenden Rat. Dass die Verschärfung im Nationalrat scheitern wird, ist eher unwahrscheinlich.
Der zeitliche Druck ist gewollt, wie Friedli weiter ausführt: «Die auf 2022 angepasste Verordnung zur interkantonalen Koordination der Spitalplanung zeigt bisher keine Wirkung.» Der Ständerat will nun den Druck erhöhen, damit die Kantone selber in die Gänge kommen.
Andere, schärfere Vorstösse zur überregionalen Planung stehen im Parlament noch zur Diskussion. Friedli sagt, dass die Kommission diese noch zurückhalte, weil die Kantone bis Ende Jahr Zeit hätten, die Spitalplanung zu koordinieren. Der Ständerat hält den Gesundheitsdirektoren also das Messer an den Hals. Bis dahin steht es in der Macht der Kantone, die Hoheit in der Spitalplanung zu halten.
Dass der Wind im Ständerat gekehrt hat, beweist nicht nur diese neue Drohkulisse. Auch ein Votum des Bündner FDP-Ständerats Martin Schmid zur Zusammenarbeit der Kantone in der spezialisierten Medizin lässt aufhorchen.«Ich habe mich bisher immer dagegen gewehrt, dass man eine nationale Spitalplanung macht.»Er sei für die Kantone eingestanden. Nun stelle er sich aber die Frage, ob eine nationale Planung nicht «konsequenter und besser» wäre.