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202 km/h auf Autobahn: Raser sieht sich als Härtefall – und blitzt trotzdem vor Aargauer Obergericht ab

Nach einem Tempoexzess mit seinem Auto muss ein Lastwagen-Chauffeur den Führerausweis für zwei Jahre abgeben. 

Anton (Name geändert) hatte als Autofahrer lange eine reine Weste. Das änderte sich am 4. April 2020, als er (Jahrgang 1984) am Steuer eines Personenwagens sehr schnell auf der Autobahn A1 in Spreitenbach unterwegs war: Er wurde – nach Abzug der Toleranz – mit 202 km/h geblitzt.

Ausserorts greift der Rasertatbestand ab einer Überschreitung von 80 km/h, auf der Autobahn ab 200 km/h. Damit stand fest: Anton wird als Raser klassifiziert. Bei seinem Tempoexzess handelte es sich um ein Raserdelikt und um eine schwere Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz. Dieses wiederum sieht bei einem solchen Delikt einen Führerausweisentzug von mindestens zwei Jahren vor.

Wenig verwunderlich entschied das Aargauer Strassenverkehrsamt per Verfügung vom 15. April 2021, Anton den Führerausweis für zwei Jahre zu entziehen. Angerechnet wurde ihm, dass er den Führerausweis am 5. April 2020 für rund vier Monate hatte abgeben müssen.

Er fordert eine Ausnahme für die Kategorie C

Anton wehrte sich gegen den Führerausweisentzug erst per Beschwerde beim Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) – und nach dessen Ablehnung auch vor dem Aargauer Verwaltungsgericht. Dort forderte er, dass ihm der Ausweis für die Kategorie C (samt Unterkategorien) für ein statt zwei Jahre entzogen wird. Sodass ihm Fahrten ausschliesslich für berufliche Zwecke ermöglicht werden.

Für die Fahrten aller übrigen Kategorien sei es beim zweijährigen Entzug zu belassen. Die Kategorie C und die Unterkategorien gelten, vereinfacht gesagt, für Lastwagen und Sattelschlepper.

Anton brachte vor Verwaltungsgericht vor, dass er durch den Entzug des Führerausweises der Kategorie C seinen Beruf als Lastwagenchauffeur nicht ausüben könne, wie aus dem schriftlichen Urteil hervorgeht. Deshalb liege ein Eingriff in seine Wirtschaftsfreiheit vor. Für diesen Grundrechtseingriff würden zwar eine gesetzliche Grundlage und ein öffentliches Interesse bestehen, räumte er ein.

Er bezieht sich auf die Härtefall-Klausel

Der Entzug sei in seinem Fall aber nicht verhältnismässig. Und das Unterschreiten der Mindestentzugsdauer von zwei Jahren könne in seinem Fall angeordnet werden. Das Gesetz lasse das zu. Damit bezog er sich auf die sogenannte Härtefall-Klausel.

Diese besagt, dass damit vor allem auf die besondere Betroffenheit von Personen Rücksicht genommen werden kann, die beruflich auf den Führerausweis angewiesen sind. «In der Praxis wird die Härtefall-Klausel nur mit grösster Zurückhaltung angewendet», hält das Verwaltungsgericht dazu fest.

Die Härtefallregelung sehe aber ausdrücklich vor, dass die gesetzliche Mindestentzugsdauer einzuhalten sei. «Der Wortlaut ist klar und unmissverständlich», so das Gericht.

«Die betroffene Person soll damit für eine gewisse Zeit vollständig vom Führen eines Motorfahrzeugs ausgeschlossen werden, ansonsten die erzieherische Wirkung in Frage gestellt und die Verkehrssicherheit beeinträchtigt würde.»

Für Anton bedeutet das: Es besteht kein Spielraum, ihm den Führerausweis der Kategorie C für weniger als zwei Jahre zu entziehen, selbst wenn er aus beruflichen Gründen auf diesen angewiesen ist. Gerade Personen wie er, die den Führerausweis aus beruflichen Gründen benötigen und sich entsprechend häufig im Strassenverkehr bewegen, sollten sich «der möglichen Konsequenzen einer derart krassen Widerhandlung gegen die Verkehrsvorschriften bewusst sein», hält das Gericht fest.

Es wäre mit dem Zweck des Entzugs daher nicht zu vereinbaren, wenn er, der den Verkehr mit seinem Personenwagen in qualifiziert schwerer Weise gefährdet hat, den Ausweis für Fahrzeuge der Kategorie C mit einem noch grösseren Gefährdungspotenzial früher zurückerhalten würde. Den zweijährigen Entzug hat sich der Chauffeur selbst zuzuschreiben. Der Entzug sei verhältnismässig und angemessen. Die Beschwerde von Anton hat es abgewiesen.

Das Gericht erwähnt, dass Anton offenbar nicht nur als Lastwagenchauffeur, sondern auch als Geschäftsführer im Betrieb tätig sei. Das relativiere «die von ihm vorgebrachte unverhältnismässige Einschränkung seiner wirtschaftlichen Entfaltung».