Erste Schweizer Influencer-Serie spielt auch in Obersiggenthaler Etablissement: «Sag doch einfach Puff!»
Ein Polizist sitzt nur mit Dienstmütze bekleidet in einem Whirlpool und schreibt einen Brief an seine Familie. «Jeder Kilometer, der uns trennt, ist einer zu viel», liest seine weinerliche Stimme aus dem Off die Zeilen vor. Dann wirft er den Brief weg und entspannt im dampfenden Wasser. Es ist eine der letzten Szenen von Staffel 0 der neuen Youtube-Serie «Bad Habits» – der ersten Schweizer Influencer-Serie, deren Auftakt am Mittwoch mit einer Premiere auf der Kinoleinwand im Pathé in Spreitenbach gefeiert wurde.
Gedreht wurde die Szene in der Kontaktbar Goldwand, einem Badener «Etablissement», wie es Regisseur Piet Heusser bei der anschliessenden, sehr unterhaltsamen Podiumsdiskussion diplomatisch nannte. Aus dem Publikum kam die Frage, wie es überhaupt dazu kam, in Baden respektive in der «Goldwand» zu drehen. Während der Standort Baden nicht angezweifelt wurde, obwohl sich die Kontaktbar in Wirklichkeit in Obersiggenthal befindet, reichte es einem der Darsteller, und er rief dazwischen: «Was Etablissement? Sag doch einfach Puff!» Heusser sprach dennoch weiterhin vom Etablissement, wechselte dann aber das Thema, ohne die Frage zu beantworten, wie sein Arbeitgeber, die Winterthurer Headz Agency AG, zur Zusammenarbeit mit der «Goldwand» kam.
Die genauen Schauplätze der von der auf Influencer-Marketing spezialisierten Agentur produzierten Serie spielen ohnehin nur eine Nebenrolle. In fünf achtminütigen Folgen erzählt Heusser, der hier sein Debüt als Regisseur gibt, die Geschichte von Flo. Zwei fragwürdige Polizisten beauftragen ihn, den Mord an einem Influencer aufzuklären. Gleichzeitig will Flo seine schlechten Gewohnheiten loswerden.
Hauptdarsteller ist Flavio Leu, der allein mit seiner Mimik zum Lachen bringen kann. Die Rollen in der Serie sind ausschliesslich mit Influencern wie ihm besetzt, die sich heutzutage eher als «Content Creators» bezeichnen. Es ist ein bunter Mix von Schweizer Social-Media-Persönlichkeiten, die besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen beliebt sind.
Diese sind denn auch die Zielgruppe, die mit dem «Experiment» angepeilt wird, wie der Marketingverantwortliche Nicola Erb die Serie bezeichnet. Ein Experiment, das eine Vertreterin der Zielgruppe – die Tochter der Autorin dieser Zeilen – nach Sichtung als unterhaltsam bezeichnete: eine Art Aneinanderreihung von TikTok-Videos, die zusammen einen einzigen Film ergeben. Einige Szenen könnten tatsächlich auch für sich allein stehen, während andere (zumindest aus Sicht der Redaktorin) wenig Sinn ergaben und eher der Werbung dienten.
«Ich bin ja ein arroganter Influencer»
Für die Serie setzt die Headz Agency hauptsächlich auf Eigengewächse, mit Followerzahlen auf den Plattformen Instagram und Tiktok irgendwo zwischen 14’000 und 370’000. Dazu zählt Comedian Eric Lüthi aus Winterthur, auf Social Media unterwegs als «ericwdrae», bekannt durch überzeichnete Figuren wie der HB Hänger oder Bresha. Lüthi, einer der wenigen im Cast mit Schauspielerfahrung, wirkte unter anderem bereits in der SRF-Serie «Tschugger» mit.
In «Bad Habits» wird er in der Rolle als Jason G. des Mordes verdächtigt. Gemeinsam mit Hauptdarsteller Flavio Leu moderiert er einen Podcast, in dem er ständig «Bro» sagt, seine Hand auffällig oft im Schritt hat und zahlreiche frauenfeindliche Sprüche fallen lässt. «Die Rolle fiel mir leicht, weil ich ja ein arroganter Influencer bin», erklärte Lüthi nach der Premiere und sorgte damit für Gelächter. «Ich musste mir aber schon oft die Hand vor den Mund halten bei all diesen frauenfeindlichen ‹Slurs›, die ich raushauen musste», war ihm dann aber dennoch wichtig zu betonen.
Frauen sind in der Besetzung wie auch in der Produktion augenscheinlich deutlich unterrepräsentiert. Die einzige weibliche Rolle, Amy, wird von der Aargauerin Emma W., bekannt als «wemmse», verkörpert. Sie hält sowohl ihren Nachnamen als auch ihren Wohnort bewusst zurück. «Es fehlt eindeutig der weibliche Einfluss auf dem Set», merkte sie später während der Diskussion an. Regisseur Heusser versprach derweil den rund 280 Personen im Publikum, in Staffel 1 mindestens vier grössere Rollen mit Frauen besetzen zu wollen.
Eine weitere Figur ist Simone Franze alias Simobonito aus Zofingen, der als «Bro» gemeinsam mit Hauptdarsteller Flavio Leu versucht, mit dem Kiffen («nur etwas für Verlierer») aufzuhören – jedoch beide jedes Mal, wenn sie aufeinandertreffen, wieder rückfällig werden. Simobonito begann mit Videos auf Social Media während der Coronapandemie und erzählte bei der Premiere, wie er darin seine italienischen Wurzeln humorvoll auf die Schippe nahm. Sie kamen sehr gut an, also machte er weiter.
Während er weiterhin noch einer «normalen» Arbeit nachgeht, kann Emma von ihrer Social-Media-Tätigkeit inzwischen leben. Sie postet über ihr Leben auf einem Hof mit Tieren. In «Bad Habits» hat sie nun die Möglichkeit, noch eine andere Seite von sich zu präsentieren. Die erste Folge von «Bad Habits» ist seit Mittwoch auf Youtube verfügbar. Die zweite Episode erscheint nächste Woche.