Fufu statt Fondue: So feiert diese Nigerianerin Weihnachten fern der Heimat
Sade Echem steht schon seit 6 Uhr morgens in der Küche. «Nigerianisches Essen braucht Zeit», sagt sie und lacht, als sie diese Zeitung bei sich zu Hause in Spreitenbach empfängt. Die Stunden am Herd zählt die 44-Jährige nicht. «Wenn du etwas aus Leidenschaft machst, dann schaust du nicht auf die Uhr», findet sie.
In den Töpfen köcheln verschiedene Spezialitäten aus ihrer westafrikanischen Heimat Nigeria, die an Weihnachten traditionell auf den Tisch kommen. Allen voran die Egusi Soup. Ein Eintopf auf Basis von gemahlenen Wassermelonen-Kernen mit Spinat, Fleisch und Palmöl.
«Normalerweise kommen auch Habanero-Chilis rein. Wir Nigerianer lieben es scharf», sagt Sade Echem. Seit 26 Jahren in der Schweiz, hat sie jedoch gelernt, dass Schärfe eine heikle Angelegenheit ist. «Was für mich nicht scharf ist, ist für andere Feuer», sagt sie und lacht.
Neben die Egusi-Suppe auf dem Tisch gesellen sich ein Poulet-Eintopf mit einer Tomaten-Zwiebelsauce sowie eine Pfeffersuppe mit Tilapia-Fisch, Reis und Chinchin, eine Mini-Version der Schweizer Schenkeli. Der heimliche Star auf der Tafel ist jedoch ein heller Brei aus Yamsmehl, der Fufu.
«Was für die Schweizer Rösti oder Kartoffelstock ist, ist für uns Fufu. Er begleitet fast jede Mahlzeit. Wir tunken Klösse davon in die Saucen und Eintöpfe», sagt Echem. Es gibt verschiedene Varianten. Die bekannteste besteht aus zerstossenen gekochten Yamswurzeln und Kochbananen. «Da wir in der Schweiz jedoch nicht so viel Lärm beim Kochen machen können, beschränke ich mich auf das fertige Yamsmehl, das ich mit Wasser zu einem Brei verkoche.»
Und als wäre das nicht bereits mehr als genug, bereitet Echem zusätzlich Teigkrapfen zu, die mit Hackfleisch, Kartoffeln und Karotten gefüllt sind. «Die Meat Pies sind die Lieblinge meiner Familie», erzählt die Catering-Köchin, die einen afrikanischen Partyservice betreibt.
An Weihnachten dreht sich in Nigeria alles ums Essen. Und damit ist nicht nur das gemeinsame Mahl mit der Familie gemeint. «Wir beschenken unsere Nachbarn und Freunde mit Essen statt mit Päckli», so Echem. «Brauch ist auch, dass man für Weihnachten neue Kleider kauft. Vor allem die Kinder freuen sich sehr darüber.»
Sie feiern die Geburt Jesu ganz ausgelassen
Musik und Tanz spielt an den Festtagen auch eine wichtige Rolle. «Wir jubeln, singen und feiern ausgelassen. Es ist schliesslich Jesu Geburtstag. Da ist nichts mit Stille Nacht», sagt Echem und lacht.
Die sechsfache Mutter ist gläubige Christin. Doch das war nicht immer so. «Ich bin als Muslimin geboren und aufgewachsen. Heute fühle ich mich im christlichen Glauben zu Hause», sagt die Spreitenbacherin. Islam und Christentum sind in Nigeria die beiden wichtigsten Religionen.
Echem konvertierte 2004 nach einem tiefgründigen religiösen Erlebnis zum Christentum. Den Weg dafür ebnete ihr Mann, der sie in einen christlichen Gottesdienst mitnahm. «Es gab Leute, die mir in der Vergangenheit sehr weh getan haben. Der Pfarrer sprach über Vergebung. Das hat mich dazu ermuntert, Jesus in mein Herz zu lassen. Er gab mir Kraft, den Hass loszulassen», erzählt Echem.
Das Schöne am Christentum sei für sie, dass sie im Gegensatz zum Islam Jesus und Gott nichts beweisen müsse. «Ich werde bedingungslos geliebt. Wenn du Fehler machst, wird dir vergeben. Du musst keine Schuldgefühle haben.»
Angst hatte sie trotzdem, dass ihre Familie diesen Entscheid nicht akzeptieren würde. «Ein Moslem, der sich vom Islam abwendet, ist in den Augen gläubiger Muslime verloren.» Ihre Familie hielt zu ihr und unterstützt heute sogar ihre christlichen Traditionen. «Meine Mutter beschenkt an Weihnachten unsere Nachbarn in meinem Heimatdorf mit Essen in meinem Namen. Das schätze ich sehr.»
Bei ihnen gibt es auch Fondue an den Festtagen
Und auch Schweizer Weihnachtsbräuche haben sich mittlerweile im nigerianischen Haushalt in Spreitenbach festgesetzt. Davon zeugen der Tannenbaum in der Stube und die Adventskalender an den Wänden. «Manchmal gibt es bei uns über die Festtage auch Fondue und Raclette», sagt Echem. Sie zeigt sich offen für andere Kulturen und Traditionen.
«Ich wünsche mir, dass Schweizer und Menschen in Europa nicht nur asiatischem, sondern auch afrikanischem Essen eine Chance geben.» Die Köchin versteht sich als Botschafterin der afrikanischen Küche. «Ich passe sie dem europäischen Geschmack an, würze weniger scharf und verwende laktosefreie Milch und weniger Butter, damit alle meine Gerichte probieren können.»
Ihre Mission versucht sie, mit ihrem afrikanischen Party- und Bestellservice zu verwirklichen. Echem liefert für Geburtstage, Hochzeiten, Firmenanlässe und auch Beerdigungen. Ihrem Ziel kommt sie dabei immer näher, denn viele Kundinnen und Kunden sind Schweizer.
«Sie sind zuerst zurückhaltend, doch wenn sie mal gekostet haben, kriegen sie nicht mehr genug von meinen Speisen», sagt Echem stolz. So soll es weitergehen, findet sie. «Afrika ist ein schöner Kontinent mit fröhlichen Menschen und vielen Gerichten, die es zu entdecken gilt.»