Muss die Schweiz den Gürtel enger schnallen? Grünen-Andrey fordert einen Effizienznachweis von der Armee
Die USA sind heute so hoch verschuldet, dass sie für Schuldzinsen jährlich fast gleich viel Geld ausgeben wie für die Landesverteidigung. Ein Ende ist nicht in Sicht. Damit ein solches Szenario in der Schweiz nie eintreffen kann, hat das Stimmvolk bereits früh vorgesorgt. 2001 nahm es mit klarer Mehrheit eine Verfassungsregelung an, die seither international Schule gemacht hat: die Schuldenbremse.
Diese schreibt vor, dass der Bund nicht mehr Geld ausgeben darf, als er einnimmt. Dies über einen Konjunkturzyklus hinweg, der in der Regel zwischen fünf und acht Jahre dauert. Das heisst: In guten Zeiten legt der Bund Überschüsse zur Seite, anstatt sie auszugeben, damit er in schlechten Zeiten auf dieses Ersparte zurückgreifen kann.
Diese Strategie ging bisher recht gut auf. Doch dann kam die Corona-Pandemie. Kurz darauf griff Russland die Ukraine an. Und dann ist da ja auch noch der Klimawandel, der nicht nur zunehmend unsere Lebensgrundlage bedroht, sondern auch immer höhere Kosten verursacht.
«Die Bundesfinanzen sind aus dem Lot», warnte Bundesrätin und Finanzministerin Karin Keller-Sutter darum Anfang Jahr. Das Stimmvolk erhörte sie nicht und beschloss im März die Annahme der 13. AHV-Rente. Damit gesellt sich ein weiterer grosser Ausgabeposten auf die Rechnung des Bundes.
«Der Bund muss sparen», wiederholt Keller-Sutter seither nur noch eindringlicher. Sonst würden in wenigen Jahren Defizite in Milliardenhöhe drohen.
Doch wo soll er sparen? Ist Sparen angesichts der vielen aktuellen Krisen der richtige Ansatz? Muss die Schuldenbremse angepasst werden? Oder sollte man nichts an diesem bewährten System ändern?
Über diese Fragen diskutierten in dieser SRF-«Arena»:
Werner Salzmann, SVP-Ständerat Kanton Bern
Sarah Wyss, SP-Nationalrätin Kanton Basel-Stadt
Benjamin Mühlemann, FDP-Ständerat Kanton Glarus
Gerhard Andrey, Grünen-Nationalrat Kanton Fribourg
Alle Departemente sparen, ausser die Armee
Dass die «Arena» gerade jetzt über die Bundesfinanzen reden will, hat einen aktuellen Anlass: Diese Woche nahm der Ständerat einen Vorschlag von SVP-Ständerat Werner Salzmann an, der vorsieht, dass die Armee bis 2028 zusätzliche vier Milliarden Franken erhält.
Und wie soll das der Bund in Zeiten, in denen Sparen angesagt ist, finanzieren? FDP-Ständerat Benjamin Mühlemann lieferte im Ständerat gleich die Antwort: Die eine Hälfte soll der Bund bei der internationalen Zusammenarbeit abzwacken, die andere Hälfte sollen die Armee und die übrigen Departemente einsparen.
Definitiv entschieden ist noch nichts. Als nächstes kann der Nationalrat darüber diskutieren. In der SRF-«Arena» hat SP-Nationalrätin Sarah Wyss aber schon eine klare Haltung: «Zwei Milliarden sollen bei der Entwicklungszusammenarbeit gespart werden. Das ist ein Kahlschlag!»
Zusammen mit den Sparmassnahmen, die ohnehin schon geplant seien, würden insgesamt 30 Prozent der Gelder für Entwicklungshilfe gestrichen. Die Konsequenz davon würden die Schweizerinnen und Schweizer dann jeden Abend in den Nachrichten sehen.
Mühlemann ist anderer Meinung: «Es würde nicht die ganze Welt zusammenbrechen, nur weil die Schweiz effizientere Entwicklungszusammenarbeit machen würde.»
Er bezieht sich dabei auf den Rechenschaftsbericht, den der Bund vor zwei Wochen veröffentlichte. Dieser kam zum Schluss, dass bei 45 Prozent der Projekte für Entwicklungshilfe eine längerfristige Wirkung «ungenügend» war. Mühlemann findet darum: «Also packen wir es doch an und kippen die ineffizienten Geschichten raus.»
Andrey nutzt Effizienz-Argument gegen Armee
Effizienz. Das ist an diesem Abend das Lieblingswort von Mühlemann. Es klingt eben besser als «sparen», «kürzen» oder «wegnehmen». Nationalrat und letztjähriger Bundesratskandidat der Grünen, Gerhard Andrey, lässt sich davon nicht beeindrucken. Auch er kann über «Effizienz» reden, wenn es sein muss. Und zwar über die Effizienz der Armee.
«Milliarden und Armee – das ist eine heikle Kombination», sagt Andrey. Zum Beispiel bei der Digitalisierung. Die Armee habe momentan vier Milliarden laufende Digitalisierungsprojekte. Ein übergeordnetes Management für diese Projekte gebe es allerdings nicht, obwohl das essenziell wäre, um teure Doppelspurigkeit zu vermeiden. Die Finanzkontrolle kritisiere das schon lange. «Aber die Armee weigert sich, diese Projekte effizient zu managen.» Wenn man also über weitere Milliarden für die Armee spreche, wolle er einen Nachweis zu deren Effizienz.
Von guten und bösen Schulden
Dann versucht Andrey mehrfach, die Diskussion in eine andere Richtung zu lenken. Nämlich zur Frage, welche anderen Möglichkeiten es gäbe, um das Bundesbudget aufzubessern. Vielleicht neue Einnahmequellen? Einen Vorschlag dazu gibt es schon von Links: die Einführung einer Erbschaftssteuer.
Doch Salzmann hält stramm dagegen: «Wir haben kein Einnahmeproblem. Wir haben ein Ausgabenproblem.» Mühlemann eilt ihm zu Hilfe, indem er betont, die Bevölkerung wolle keine höheren Steuern. Auch sagt er immer wieder: «Wir müssen unsere Verantwortung wahrnehmen und wieder lernen zu sparen.» Es sei nicht sozial, den künftigen Generationen so hohe Schulden zu hinterlassen. Zumal die Zinsen gestiegen seien.
Andrey findet hingegen: Die hohe Schuldquote sei angesichts des Klimawandels und des Ukrainekriegs das letzte Problem, das die Schweiz habe. «Im internationalen Vergleich ist unsere Verschuldung rekordtief. Wir haben die strengste Schuldenbremse. In einer Zeit von Multikrisen kann man sich schon mal fragen, ob es noch das Gescheiteste ist, möglichst tiefe Schulden zu haben.»
Für diese Schulden bekäme die Bevölkerung nicht nur Zinsen aufgedrückt, sondern tatsächliche Werte: etwa funktionierende Infrastruktur, Sozialleistungen, Sicherheit.
Eigentlich besagt die Schuldenbremse, dass in guten Zeiten gespart werden soll, damit das Geld für die schlechten Zeiten bereit ist. Nach dieser Sendung hat man das Gefühl, dass keine guten Zeiten mehr kommen werden. Und der Bund darum jetzt auch in schlechten Zeiten sparen muss. Oder auch: Dass man in den guten Zeiten eben doch nicht gespart hat. Weswegen die Effizienz-Diskussion erst jetzt in der Not stattfindet.
Gut möglich, dass beides stimmt.