«SRF bi de Lüt» in Olten wurde zum Fest der Superlative
Es gehört zu den unbestrittenen Weisheiten des klassischen Fernsehpublikums: Zu Hause siehst du mehr als vor Ort. Das mag auch der Grund sein, warum bloss – bildlich gesprochen – die eine Hälfte der Stadt am Samstagabend auf der Kirchgasse weilte.
Und dann gibts noch die andere Hälfte, zu der etwa Silvan Jäggi aus Wangen bei Olten gehört. «Man sieht sicher mehr am Fernseher, dafür bekommt man von der Atmosphäre vor Ort fast nichts mit.» Ein Grund für ihn, live dabei sein zu wollen, obschon er einen anstrengenden Samstag hinter sich hat und mit Brennholz zugange war.
Er richtet sich, wie viele andere der über 2000 Gäste auf der Kirchgasse, wohlweislich auf einen Stehabend ein. Denn angedacht waren mal gut 900 Plätze, die aber flugs grosszügig ausgebaut wurden. René Wernli war als Leiter Werkhof für die Bestuhlung des Anlasses zuständig. Und schreitet zur Tat.
Unmittelbar nach Einfahrt der «Töffligäng», die zum Eröffnungsbouquet mit dem Moderationsduo Fabienne Bamert und Salar Bahrampoori gehört, hat er aufrüsten lassen. Am Schluss des Abends wird Wernli sagen: «Es war doch ein superschöner Abend. Auf die vielen Gäste haben wir schnell reagieren können. Alles ist perfekt und unfallfrei abgelaufen. Was will man mehr.»
Und als hätten SRF und die Organisatoren um Deny Sonderegger vor Ort auch noch den Lauf der Gestirne beeinflusst: Just zu Sendebeginn schickt sich die Sonne an, hinter dem Jura zu verschwinden. Postkartenmässig taucht sie die Kirchgasse ins frühsommerliche Abendlicht. Es überfällt einen schon fast die schiere Rührung über die Szenerie.
Fest oder Party? Egal: Hauptsache stimmig
Es ist jedenfalls der Auftakt zum einem von Bombenstimmung unterlegten Fest. Oder soll man es Party nennen? Einerlei. Und nicht etwa die geladenen Personen bilden die Mehrheit. Auf «vielleicht hundert» legt sich OK-Mitglied Franco Giori diesbezüglich fest. Die Stimmung jedenfalls ist so ungezwungen, dass die SRF-Regie, wie üblich zwar, das Publikum beim Warm-up mit bestimmten Verhaltensregeln konfrontiert.
Aber in Olten scheinen die Mahnungen und Bitten besonders eindringlich zu sein. Aber auch wirksam, wie der reibungslose Ablauf später zeigt. Besonders dauerhaft dürfte die Bitte gewirkt haben, doch nicht in die TV-Kamera zu winken.
Man hält sich daran und bleibt auch still während der Einspieler. Die Masse zeigt sich eigentlich mehr als TV-erfahren. Auch wenn sich gelegentlich die Laufwege von Gästen und Kameras zu kreuzen drohten. Dann werden die Gäste höflich, aber bestimmt «umgeleitet».
Amüsant: Die Küche übrigens, wo die leicht modifizierten «Solothurner Liebesbriefe» von Koch Fabian Zbinden hergestellt werden, gerät in ihrer Art zum eigentlichen Zentrum des Moderatorenduos. Wenn dieses nicht eben live zu sehen ist. Dies erinnert zumindest daran, dass die Küche in privaten Haushalten früher noch so etwas wie die Schaltzentralen der Familien waren. Warum soll dies bei einer Livesendung anders sein?
Auch die Stunde der «Selfie mit Promi»-Jagenden
Ist es ein Glück, dass während der Einspielungen von externen Beiträgen das Moderationsduo Bamert/Bahrampoori nicht explizit den Zaungästen zur Verfügung steht? Fast möchte man meinen.
Nicht selten nämlich werden die beiden, und sei’s auch nur in einer Nachschminkphase, mit der Bitte um ein gemeinsames Selfie gebeten. Zur Not agiert schon mal jemand aus dem SRF-Team als Fotograf. Man nimmt’s gelassen. Nur wenn der Andrang zu satt wird, zieht auch «SRF bi de Lüt» einen Schlussstrich, jedenfalls für den Moment.
Ein Hoch auf das Rahmenprogramm
Die gute Stimmung weit über den Sendetermin hinaus mag auch am Rahmenprogramm, dem Beizlifest, gelegen haben, von wo sich die Gäste während der Sendung immer wieder mit Getränken und Essen versorgten. Danach vermischt sich das Publikum vollends.
Kirchgasse und Munzingerplatz verschmelzen zum eigentlichen Festplatz und das Projekt «SRF bi de Lüt» nimmt die Züge eines mittleren Chilbibetriebs an. Oder wie einer beim Anblick einer durchziehenden Polonaise im Vorbeigehen meint: «Es ist ein richtiges Volksfest geworden.»
Und was sagt ein Auswärtiger zu diesem Abend? «Die Stadt Olten hat diesen grossartigen Auftritt wirklich verdient», gibt Regierungsrat Peter Hodel zu verstehen. Es sei viel gearbeitet worden im Hintergrund, die Gäste hätten mitgespielt, das Wetter ebenso. «Im Gegensatz zu vor sechs Jahren, als der Donnschtig-Jass regelrecht ins Wasser fiel.» In solchen Momenten jemanden auf dem Platz zu fragen, ob Olten tatsächlich ein hässliches Entlein sei, wie dies in der Sendung mit überraschender Hartnäckigkeit thematisiert wurde: völlig zwecklos.
Nein, nach dieser mehr als zweistündigen Sendung über Olten findet sich die Stadt wieder im kleinen Taumel, weil die Zeit für einen grösseren noch nicht reif ist. Jung, Alt, Gross, Klein; alle vereint. «S’Dorf», wie die Stadt gelegentlich auch genannt wird, gehört sich selber.
Und dass die Geschichte von der ewigen Nebeldecke über Olten vom Stadtpräsidenten während der Sendung ziemlich wortgewandt relativiert wurde: richtig so. Der Klimawandel hat auch sein Gutes.
Am Sonntag wird auf der Kirchgasse weg- und aufgeräumt. Der Munzingerplatz folgt am Montag, wie das Regiebuch vorsieht. Dann ist das Fernsehen fort und der Alltag zurück. Der Alltag, der von allen jeweils so löblich besungen wird und den man sich abarbeitet. So simpel sieht man das in Olten. Und anderswo wohl auch.