Die «Arena» zur US-Präsidentschaftswahl: «Novartis und Roche beten, dass Kamala Harris nicht Präsidentin wird»
74 Tage, bevor das amerikanische Stimmvolk zum 46. Mal einen Mann oder erstmalig eine Frau in das höchste politische Amt der Vereinigten Staaten befördert, drehte sich die Diskussion im Studio 8 des Schweizer Farbfernsehens um nicht weniger als ein Joghurt in der Migros.
Die Erwähnung des hierzulande höchst beliebten Milchprodukts sorgte in der SRF-«Arena» dafür, dass die Kadenz der Debatte kurzfristig anstieg. Doch dazu später mehr.
Im Fokus der Sendung stand die Frage, wer der beiden Kandidierenden – Demokratin Kamala Harris oder Republikaner Donald Trump – der Schweizer Wirtschaft und der globalen Sicherheit dienlicher sei. Am 5. November fällt das amerikanische Stimmvolk gezwungenermassen eine Entscheidung.
In der ersten «Arena» nach der Sommerpause diskutierte das folgende, für einmal sehr heterogene, Aufgebot:
Claudia Franziska Brühwiler, Professorin für amerikanische Kultur und Politik, Universität St. Gallen
Rahul Sahgal, CEO Schweizerisch-Amerikanische Handelskammer
Sibel Arslan, Vizepräsidentin Aussenpolitische Kommission des Nationalrats
Markus Somm, Chefredaktor «Nebelspalter»
Der Einfluss auf die Schweizer Wirtschaft
Zum ersten Schwerpunkt der Sendung zur US-Präsidentschaftswahl kam es nach rund einer Dreiviertelstunde. Bevor sich die versammelte Runde daran abarbeitete, den möglichen Einfluss von Donald Trump oder Kamala Harris auf die Schweizer Wirtschaft zu prognostizieren, präsentierte ein Einspieler die wichtigsten ökonomischen Kennzahlen.
Jährlich exportiert die Schweiz Güter im Wert von 57 Milliarden Franken in die USA.
Der Import von Gütern aus den USA beläuft sich in der Schweiz auf rund 30 Milliarden Franken.
Investitionen von jährlich 300 Milliarden Franken fliessen von der Schweiz in amerikanische Unternehmen.
Die USA sind nach Deutschland der zweitwichtigste Handelspartner der Schweiz. Rahul Sahgal, CEO der Schweizerisch-Amerikanische Handelskammer, gab sich hinsichtlich der Wahl im November dennoch relativ entspannt.
In der jüngeren Vergangenheit sei 18 Jahre ein demokratischer und 12 Jahre ein republikanischer Präsident an der Macht gewesen. Abgesehen von der Finanzkrise sei die Schweizer Wirtschaft immer gewachsen, so Sahgal.
Die Gouverneure in den US-Bundesstaaten und die Mehrheitsverhältnisse in den beiden Kammern des Kongresses hätten einen viel wichtigeren Einfluss auf die Stabilität der Schweizer Wirtschaft.
Gänzlich irrelevant sei es für die Schweiz schon nicht, wer im Weissen Haus sitze, erklärte hingegen Amerikanistin Claudia Brühwiler. Sie machte ihre Argumentation an der Pharmaindustrie fest. Kamala Harris habe sich bereits in der Vergangenheit gegen Big Pharma positioniert und wolle die Medikamentenpreise – ein bedeutendes Schweizer Exportgut – weiter senken.
Auch Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan stimmt Rahul Sahgal von der Handelskammer nur partiell zu. Gerade in Bezug auf die grüne Wirtschaft mache die USA vorwärts, diesbezüglich müsse die Schweiz gute Beziehungen mit den Amerikanern pflegen und diese hängten mit der Personalie im Weissen Haus definitiv zusammen.
Am klarsten bezog Markus Somm Position. Der Chefredaktor des «Nebelspalters» und USA-Kenner sagte: «Wir hatten mit den Republikanern wirtschaftspolitisch und politisch immer weniger Probleme als mit den Demokraten.» Zur Thematik Big Pharma ergänzte Somm:
«Novartis und Roche beten, dass Kamala Harris nicht Präsidentin wird.»
Was die US-amerikanische Währung betrifft, zeigte sich Markus Somm regelrecht genervt. Joe Biden habe gemeinsam mit Kamala Harris nach der Covid-Pandemie trotz guter Konjunktur einen riesigen Schuldenberg angehäuft. Dies schwäche den Dollar und davon sei die Schweiz sehr betroffen, es sei eine «Katastrophe».
Ukraine-Krieg
So richtig spannend wurde es in der letzten Viertelstunde des «Arena»-Auftakts nach den Sommerferien. Moderator Brotz lancierte die Frage nach der globalen Sicherheit mit einer Interview-Antwort Trumps, in welcher der 78-Jährige selbstgefällig davon schwadroniert, als Präsident den Krieg in der Ukraine in 24 Stunden beenden zu können.
«So läuft die Welt nicht», liess Sibel Arslan verlauten. Laut der Vizepräsidentin der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats führe Trumps Gebaren eher zu globaler Unsicherheit, Stabilität bringe sein Verhalten nicht.
Dass Trump das Telefon in die Hand nehme, sei ihm durchaus zuzutrauen, meinte Amerikanistin Claudia Brühwiler. Was er jedoch aushandeln würde, «wäre nicht die Art von Frieden, die wir uns in Europa für die Ukraine vorstellen, mit sicheren Aussengrenzen innerhalb der alten Grenzen der Ukraine».
Die Professorin der Uni St. Gallen hatte aber auch positive Worte für den ehemaligen und vielleicht kommenden US-Präsidenten übrig. Die Haltung gegenüber China hätten die Demokraten weitgehend übernommen und punkto Verantwortung bei den europäischen Ländern, was die eigene Sicherheit betreffe, habe ein völliges Umdenken stattgefunden. Brühwiler schlussfolgerte:
«Sein Verhalten als Elefant im diplomatischen Porzellanladen hatte teilweise gute Folgen. Berechenbarkeit in der Aussenpolitik, so wie wir es gerne hätten, bringt Trump uns jedoch nicht.»
Obwohl dieser Teil der Sendung eigentlich zum Inhalt hatte, zu ergründen, ob denn Donald Trump oder Kamala Harris die Welt sicherer machen, nutzte Markus Somm die Sendezeit erneut dazu, den scheidenden US-Präsidenten frontal anzugreifen.
Biden habe den Ukraine-Krieg mit seinem Verhalten nicht nur ausgelöst, er habe ihn trotz aller Unterstützung durch zögerliche Waffenlieferungen auch «unglaublich verlängert».
Konflikt im Nahen Osten
Auch die instabile Lage im Nahen Osten habe «ganz klar mit Joe Biden zu tun», so der Chefredaktor des «Nebelspalters». Somm begründete seine Haltung mit den von Trump verhängten Sanktionen gegen den Iran, die Biden nach der Übernahme des Weissen Hauses aufgehoben hat.
Durch seine Politik der Zurückhaltung sei die Lage im Nahen Osten «völlig unabhängig von Israel unglaublich gefährlich». «Der Iran ist eines der schlimmsten Regimes, das wir haben», so Somm.
Dann hält der studierte Historiker ein kurzes Geschichtsseminar ab. Die (mit dem Iran verbündeten) Huthi-Rebellen würden den ganzen Seeverkehr im Roten Meer «massiv steuern».
Seit dem Zweiten Weltkrieg seien die USA die einzige Nation, welche die globalen Seewege sichern würden. «Jemand wie Donald Trump, der gerne den ‹Mad Dog› spielt, kann dort sicher mehr bewirken als Kamala Harris.»
Die Amerikaner und ihre Rolle als Weltpolizist seien einer der Gründe für den Wohlstand in Europa und der Schweiz. Und:
«Die amerikanischen Steuerzahler bezahlen dies, damit wir uns unser Joghurt in der Migros leisten können.»
Ganz anders schätzte Claudia Brühwiler die Lage ein. Donald Trump und noch viel mehr sein potenzieller Vize J.D. Vance hätten keine Lust mehr auf die Rolle der Weltpolizei.
Somm und Brühwiler verteidigten engagiert ihre Voten und redeten immer mal wieder gleichzeitig, bis Sibel Arslan intervenierte und dem etwas ausgeuferten Dialog ein Ende setzte.
Während Somm belustigt reagierte – «bist du jetzt der Moderator?» –, zeigte sich Brotz ob des abrupten Endes etwas enttäuscht: «Ich habe sehr interessiert zugehört, schade, dass sie unterbrochen haben».
Bevor Brotz definitiv den Stecker zog, wollte es Somm ein letztes Mal wissen:
«Wir haben eigentlich den empirischen Beleg. Wir hatten vier Jahre Trump und vier Jahre Biden. Die Welt ist heute viel instabiler, als vor vier Jahren. Das ist eine Tatsache und da kann man machen, was man möchte. Und es ist vollkommen klar, dass Trump, der dermassen militärfreundlich ist, ganz sicher nicht zulassen würde, dass Amerika keine Rolle mehr spielt.»
Nach der Amtseinführung am 20. Januar 2025 wissen wir mehr.