«Was soll die Unterscheidung in guten und bösen Alkohol?» Schnapsbrenner Humbel ärgert sich über Kreditkriterien der AKB
Eine Meldung aus der Finanzwelt hat Schnapsbrenner Lorenz Humbel und seine Kollegen aufgeschreckt. Die Aargauische Kantonalbank (AKB) will die Kreditvergabe für den Spirituosenhandel und weitere Branchen einschränken und folgt damit der Empfehlung der Weltbank. Mit der angepassten Kreditvergabe will die AKB einen Beitrag leisten zur nachhaltigen Entwicklung von Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt.
Obstbauern und Schnapsproduzenten sehen ihre Existenz bedroht. Dass die AKB keine Kredite mehr an Unternehmen vergeben will, die mehr als 20 Prozent ihres Umsatzes mit der Spirituosen-Produktion erzielen, stösst auf harsche Kritik. «Die AKB ist zwar nicht unsere Hausbank», sagt Humbel, «aber mit diesen Kriterien steht uns für Kreditanfragen eine Bank weniger zur Verfügung. Ich weiss jetzt: Was ich mache, wird von dieser Bank nicht finanziert.»
Wie letzte Woche bekannt wurde, haben die Aargauer Obstproduzenten die AKB in einem Brief aufgefordert, «auf ihren Entscheid zurückzukommen und eine Geschäftspolitik zu betreiben, die nicht scheinheilig nachhaltig ist, sondern wirklich der Natur dient». Auch Humbel unterstützt den Inhalt dieses Briefes.
Der Schnapsbrenner findet, die AKB sei mit ihren Kriterien über das Ziel hinausgeschossen. Und das aus mehreren Gründen. Am meisten stört ihn, dass die Umsatzschwelle von 20 Prozent nur für harte alkoholische Getränke gilt, nicht aber für Wein und Bier. «Was soll diese Unterscheidung in guten und bösen Alkohol?», fragt er.
«Wir wissen sehr wohl, dass unsere Produkte Genuss bringen können – im Extremfall aber auch Unglück und Verderben.» Das Bewusstsein, dass man sich als Brennerei in einem schwierigen Umfeld bewege, sei ausgeprägt. «Wohl weit ausgeprägter als bei Winzern, Autoherstellern und in der Pharmabranche», so Humbel. «Wir sind sprichwörtlich gebrannte Kinder. Wir können unsere Schnäpse noch so sorgfältig brennen, es haftet ihnen immer etwas Unheimliches an.»
Humbel glaubt nicht, dass die hochpreisigen Destillate von regionalen Brennereien die Hauptschuldigen für Alkoholismus sind. Er sieht da eher die internationalen Grosskonzerne in der Pflicht. «Und ein Discounter bekommt mit den neuen AKB-Kriterien noch immer einen Kredit, um billigen Alkohol aus dem Ausland zu importieren.»
Regionale Wertschöpfung und Artenvielfalt
Humbel sieht von der Bank regionale Aspekte ausser Acht gelassen. «Sie übersieht die regionale Wertschöpfung der Schnapsszene. Diese trägt auch viel zur Landschaftspflege und Artenvielfalt bei.» Heute sind gut 500 Kirschensorten bekannt. Wegen des bis Ende des 20. Jahrhunderts geschützten Produktionsraums und des hohen Stellenwerts der Kirschen lohnt es sich für Bauern, die Bäume zu pflegen und die Arten zu erhalten. «Das ist ein Erbe, das es wertzuschätzen gilt», sagt Humbel.
Zwei Drittel des Obstes, das die Spezialitätenbrennerei Humbel für die Obstbrände verwendet, stammen aus dem Baselbiet und dem Fricktal. Übermengen werden von Brennereien aufgekauft, um sie zu lagern und in schlechten Jahren Reserven zu haben. «Auch dafür benötigen wir Kredite», sagt Humbel.
Er verweist auch auf die Bioprodukte aus seinem Haus. «Selbstverständlich brennen wir Schweizer Schnaps nur aus Schweizer Früchten.» Humbel glaubt an die Bioproduktion, weil nur ein intaktes Ökosystem langfristig hochwertiges Obst hervorbringt. Pro Specie Rara und Hochstamm Suisse helfen dabei, den Schatz der alten Sorten zu bewahren. «Und nicht zuletzt waren es die Brennereien, die während der Pandemie Desinfektionsmittel hergestellt haben», sagt Humbel.
Er kann verstehen, dass die Bank etwas für ihr Image tun will. Aber ohne Schnapsbrennereien werden die Produzenten ihr Obst nicht los und die Hochstammbäume gehen verloren. «Die sind ein Kulturgut», sagt Humbel. Wenn die Art der Kreditvergabe Nachahmer finde, gebe es für Brennereien keine Kredite mehr, warnt Humbel. Er wartet nun gespannt auf die Reaktion der Bank auf den Brief und ist überzeugt: «Wir müssen das Gespräch mit der AKB suchen.»