
«Irreführende Beispiele»: Linke kritisieren Abstimmungsbroschüre – so antwortet der Kanton
Die Broschüre zu den beiden Aargauer Abstimmungen vom 18. Mai wird in diesen Tagen den Stimmberechtigten zugestellt – und sorgt für Ärger bei den Linken. SP, Grüne und EVP beklagen «irreführende Beispiele» zur Abstimmung über die Steuergesetzrevision, wie die Parteien in einer Mitteilung vom Mittwoch schreiben.
Die Gesetzesänderungen sollen Steuersenkungen von 150 Millionen Franken bringen. «Die Steuergesetzrevision 2025 entlastet Familien finanziell und senkt die Vermögenssteuern», heisst es einleitend in der Broschüre der Staatskanzlei. «Zudem enthält sie Massnahmen zur Entlastung von Vereinen, Stiftungen und übrigen juristischen Personen.»
Das Nein-Komitee der Linken, zu dem auch der Dachverband der Arbeitnehmenden gehört, spricht von einem «Steuer-Bschiss». Vor allem die Reichen würden profitieren, Familien nur wenig. Das Ja-Komitee dagegen mit den Parteien von SVP bis GLP sowie Hauseigentümer-, Bauern- und Gewerbeverband sowie Industrie- und Handelskammer sieht das anders: Mehr als die Hälfte der Bevölkerung profitiere, vor allem der Mittelstand.
In der Broschüre finden sich vier Beispiele: Zwei Ehepaare mit zwei Kindern unter 14 Jahren, ein Rentnerehepaar und eine Alleinerziehende mit einem Kind unter 14 Jahren. Das steuerbare Einkommen liegt zwischen 50’000 und 100’000 Franken, das steuerbare Vermögen reicht von 0 (bei der Alleinerziehenden) bis 500’000 Franken bei den Rentnern. Je nach Beispielfall würden die Steuern von 200 bis 897 Franken pro Jahr sinken.
Fast die Hälfte der Bevölkerung nicht abgebildet
Die Linken kritisieren mehrere Punkte an diesen Steuerbeispielen: 45 Prozent der Aargauer Steuerpflichtigen verfügten gemäss Kantonaler Steuerstatistik über ein steuerbares Einkommen von unter 50’000 Franken. Fast die Hälfte der Bevölkerung sei somit in den Beispielen nicht abgebildet.

Bild: Raphaël Dupain
Weiter würden die meisten Aargauer Haushalte über kein steuerbares Vermögen verfügen. Haushalte mit sehr hohen Einkommen oder grossen Vermögen würden in den Beispielen komplett ausgelassen – obwohl sie die grössten Steuervorteile erzielen. «Über 10’000 Franken jährlich spart zum Beispiel eine Person mit einem Vermögen von 10 Millionen Franken.» Haushalte ohne steuerbares Vermögen oder mit tieferen Einkommen hätten nichts von der Revision.
«SP, Grüne und EVP fordern mehr Transparenz und Ehrlichkeit gegenüber der Bevölkerung», schreiben sie in der Mitteilung. SP-Grossrätin Carol Demarmels kritisiert die Steuerbeispiele: «Das ist keine ganzheitliche Information, sondern eine Schönfärberei.» Das Initiativkomitee zieht eine Beschwerde in Betracht.
Für die Information in der Abstimmungsbroschüre ist das Departement Finanzen und Ressourcen von Markus Dieth (Mitte) zuständig. In einer Stellungnahme entgegnet es: «Die Beispiele sind korrekt, transparent und nachvollziehbar. Sie zeigen beispielhaft auf, wie Familien mit Kindern und Personen mit Vermögen konkret durch die Revision entlastet werden.» Es handle sich gerade auch um diejenigen Personengruppen (Vermögende und Familien mit Kindern), welche von dieser Revision profitieren würden. «Es wurden zudem diejenigen Zahlenbeispiele gewählt, welche die realistischen Situationen für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen zeigen.»
12 Prozent zahlen 88 Prozent der Vermögenssteuern
Im Abstimmungsbüchlein werde transparent dargestellt, dass die Hälfte der Steuerpflichtigen von der Revision profitiert: Vermögende, darunter die Liegenschaftsbesitzer, und Familien. «Die anderen 50 Prozent sind von der Revision nicht betroffen, weil sie entweder keine Vermögenssteuern bezahlen oder keine Kinder haben. Darum werden sie auch nicht abgebildet. Es ist schlicht nicht möglich, für alle Stimmbürger Beispiele abzubilden», schreibt das Departement.
Dass die kleine Gruppe von sehr vermögenden Personen (über 10 Millionen Franken) stärker profitiere, hänge damit zusammen, dass sie auch am meisten Steuern zahlen. «Bei den Vermögenssteuern bezahlen 11,7 Prozent rund 88 Prozent der Vermögenssteuern.» Entscheidend sei, dass jede zweite steuerpflichtige Person im Aargau von der Steuergesetzrevision profitiere und niemand verliere.