Der Eigenmietwert wird erhöht – Bürgerliche wollen das Minimum, SP und Grünen geht der Vorschlag nicht weit genug
Das Verwaltungsgericht hat im September 2020 verfügt, dass im Aargau die Eigenmietwertbesteuerung angepasst werden muss. Auch die zweite Veranlagungsgrösse bei Immobilien, die Vermögenssteuerwerte, werden unter die Lupe genommen – sie sind nicht mehr aktuell, sondern beziehen sich auf die Wertebasis von 1998. All das steht im Widerspruch zum Steuerharmonisierungsgesetz und ist somit bundesrechtswidrig.
Der Regierungsrat hat also eine Steuergesetzrevision zum Schätzungswesen erarbeitet, um den Vorgaben des Verwaltungsgerichts nachzukommen. Im Februar hat er die Vorlage in die Vernehmlassung geschickt. Diese ist gestern Dienstag abgelaufen.
Die nach Bundesrecht minimale Eigenmietwertbesteuerung beträgt 60 Prozent der Marktmiete. Der Kanton kann sie höher ansetzen, nicht aber tiefer. Würde man 70 Prozent festlegen, bestünde Spielraum für eine Härtefallregelung, so die Regierung. Dazu konnten sich die Teilnehmenden der Vernehmlassung äussern. Weiter steht der Turnus für die Schätzungen von Vermögenssteuerwert und Eigenmietwert zur Diskussion. Der Regierungsrat schlägt fünf Jahre vor.
Die Parteien haben ihre Eingaben gemacht. Und wie sich zeigt, liegen wie meistens in Steuerfragen auch jetzt die Meinungen von links und bürgerlich samt Mitte weit auseinander: Auf der einen Seite ist man zähneknirschend mit der Vorlage einverstanden, möchte sie aber nicht verschärfen. SP und Grünen geht sie dafür nicht weit genug.
In den sauren Apfel beissen
Die FDP Aargau sei grundsätzlich kritisch gegenüber der Schwelle von 60 Prozent bei der Festlegung der Eigenmietwertbesteuerung, schreiben die Freisinnigen. Sie akzeptierten das Minimum zwar, wehrten sich aber «entschieden» gegen die Möglichkeit einer Härtefallregelung und damit ein Minimum von 70 Prozent. «Es gibt keine Notwendigkeit, über die bundesrechtlichen Vorgaben hinauszugehen und die Standortattraktivität des Kantons zu schwächen», stellt die Partei klar. Auch den Fünfjahresturnus für Schätzungen lehnt sie ab, ein zehnjähriger erfülle die Anforderungen.
Den Turnus befürwortet die Mitte zwar, ansonsten ist sie mit den Freisinnigen weitgehend einig: Wegen des Verwaltungsgerichtsurteils bleibe nichts anderes übrig, «als in den sauren Apfel zu beissen» und sich mit der Festlegung der Eigenmietwertbesteuerung auf 60 Prozent einverstanden zu erklären, schreibt die Partei. Eine Härtefallregelung würde Problemsituationen nicht lindern, dafür zu Uneinigkeit und Aufwand führen.
SVP will Lösungen für finanzschwache Hausbesitzer
Eine Härtefallregelung löse das Problem nicht, dass die Steigerung der Eigenmiets- und Vermögenswerte für Immobilienbesitzer finanziell schwierig werden kann, schreibt weiter die SVP. Damit sie deswegen nicht ihre Immobile veräussern müssen, brauche es Lösungen, welche direkt mit der Vorlage umgesetzt werden müssen. Auch die SVP lehnt also die 70 Prozent ab, ebenso den Fünfjahresturnus.
«Eine Erhöhung auf 70 Prozent ist nicht zu rechtfertigen», hält wiederum die EDU knapp fest. Und auch die GLP schreibt, sie ziehe die 60 Prozent einer Härtefallregelung vor, denn nur so könnten alle Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer von der tieferen Untergrenze profitieren. Auch die GLP will den Fünfjahresturnus: Tendenzielle Wertveränderungen auf dem Grundstückmarkt könnten so identifiziert und zeitnah berücksichtigt werden.
SP und Grüne: Hausbesitzerinnen haben bereits Vorteile gegenüber Mietern
Eine Festlegung der Eigenmietwertbesteuerung auf 65 oder 70 Prozent würden sie begrüssen, schreiben hingegen die Sozialdemokraten. 70 Prozent sollen es auch nach Ansicht der Grünen sein. Das könnten sich die Besitzerinnen und Besitzer von Immobilien schliesslich leisten, finden beide Parteien: Aufgrund der steigenden Liegenschaftswerte und tiefen Hypothekarzinsen hätten sie bereits heute Vorteile gegenüber Mieterinnen und Mietern. «Eine entsprechende Versteuerung dieses Wertes ist aus gesellschaftlicher Sicht angebracht», halten die Grünen fest.
Für sie, wie auch für die SP, wäre indes auch eine Härtefallregel zwingend, damit in Ausnahmefällen, wenn jemand tatsächlich von der Steuerlast erdrückt werde, auch eine tiefere Besteuerung möglich wäre.
Beide Parteien schlagen zudem einen kürzeren Turnus als fünf Jahre für die Schätzungen vor, um der Wertentwicklung nachzukommen.
Rund 60 Millionen Franken für die Staatskasse
Mit zirka 60 Millionen Franken an zusätzlichen Steuergeldern rechnet der Kanton, wird der Eigenmietwert erhöht. Noch einmal so viel werden die Gemeinden generieren. Dieses Geld soll wiederum die Steuerzahlenden entlasten, schreibt Die Mitte in ihrer Medienmitteilung. Und die FDP erwartet vom Regierungsrat, «dass Kompensationsmöglichkeiten aufgezeigt werden, um die besonders stark betroffenen Bevölkerungsgruppen zu entlasten».
Davon wollen die Grünen hingegen nichts wissen: Dank der zusätzlichen Einnahmen könnten die Investitionen des Kantons zur Dekarbonisierung bei den Gebäuden problemlos jährlich um weitere 63 Millionen erhöht werden, schreiben sie. Vorsichtiger ist da die GLP, die zwar auch zukunftsgerichtete Investitionen mit diesem Geld prüfen würde, aber: «Dabei ist in Anbetracht der bestehenden Unsicherheiten allerdings Vorsicht und Zurückhaltung geboten.»