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Erhalte ich bald eine Busse von Netflix? Und kann ich noch Serien in den Ferien streamen? – Die wichtigsten Antworten zur neuen Netflix-Regel

Freunde und Familie in der Schweiz teilen sich häufig denselben Netflix-Account, auch wenn sie nicht im selben Haushalt wohnen. Das soll ab heute nicht mehr möglich sein, wie der Streaming-Anbieter verlauten liess. Was das für Nutzerinnen und Nutzer bedeutet.

1. Warum ändert Netflix seine Richtlinien?

Das US-Unternehmen geht davon aus, dass sein Service weltweit in rund 100 Millionen Haushalten mit Login-Daten anderer genutzt wird. Das ist gemessen an den 232,5 Millionen zahlenden Kunden im vergangenen Quartal ein riesiger Anteil an Trittbrettfahrern. Oft nutzen zum Beispiel Kinder den Account der Eltern weiter, wenn sie ausziehen – oder Freunde teilen sich einen Zugang, um Geld zu sparen. Netflix hingegen, das jedes Jahr Milliarden in seine Inhalte investiert, entgehen damit Milliarden an Abo-Einnahmen.Der Konzern aus Kalifornien hat das Teilen von Zugangsdaten lange toleriert. Nun gibt es im Videostreaming-Geschäft generell einen verstärkten Fokus auf Profitabilität, nachdem die vielen Anbieter jahrelang auf der Jagd nach höheren Nutzerzahlen waren. Keiner der Konkurrenten geht allerdings so konsequent wie jetzt Netflix gegen das Teilen von Accounts vor.

2. Was ändert sich?

Für Netflix-Nutzer in der Schweiz, die einen Account über einen Haushalt hinaus teilen, gilt es nun ernst. Der Streaming-Riese hat seine Kundinnen und Kunden am Dienstag darauf hingewiesen, dass er dafür zusätzliches Geld verlangen wird. Für eine Person, die nicht mit dem zahlenden Account-Inhaber unter einem Dach wohnt, sollen Fr. 5.90 im Monat fällig werden. Laut Netflix sollen Nutzer aus einem gemeinsamen Haushalt auf den Account weiterhin problemlos auch von unterwegs oder auf Reisen zugreifen können. Als einen «Netflix-Haushalt» bezeichnet der Dienst eine Ansammlung von Geräten, die dort ins Internet gehen, wo man sich meist Netflix ansehe. Wird über ein TV-Gerät geschaut, ordnet Netflix alle Geräte mit derselben Internetverbindung automatisch diesem Haushalt zu. Der gemeinsame Internet-Anschluss, Geräte-IDs und Account-Aktivitäten sollen zentrale Merkmale bei der Kontrolle sein. Man erfasse IP-Adressen, aber keine GPS-Daten, heisst es vonseiten des Konzerns.

3. Was bedeutet das im Alltag der Nutzerinnen und Nutzer?

Falls man unterwegs ist und sich von einem neuen Gerät einloggen will, stellt Netflix einen befristeten Code zur Verfügung, mit dem man sich an sieben aufeinanderfolgenden Tagen am anderen Standort einloggen kann. Das soll mit einem Abo für vier Geräte parallel für alle möglich sein. Falls man sich unterwegs immer mit demselben Gerät einlogge wie zu Hause, sollte man keine Probleme haben, versichert Netflix. Damit der Zugang aber immer funktioniert, muss man sich mindestens einmal alle 31 Tage via Wi-Fi des primären Haushalts einloggen.

4. Kann mich Netflix nun büssen, wenn ich einen Account mitnutze?

«Eine Busse wäre theoretisch möglich», sagt Experte Ralf Beyeler von moneyland.ch. Er geht aber nicht davon aus, dass Netflix solche tatsächlich einführt. Der Streamingdienst müsste extrem viele Ressourcen darauf verwenden, in jedem einzelnen Land solche Strafen umzusetzen. «Dabei wird es schwierig, einen Missbrauch zu beweisen.» Es könne ja immer sein, dass man zum Beispiel im Hotel war oder bei der Schwester zu Besuch. Eine angedrohte Busse könne allenfalls zur Einschüchterung dienen.

Eine 100-prozentige Zuordnung zu einem Haushalt ist gemäss Beyeler nicht möglich. Aber anhand der Indikatoren IP-Adresse, Wi-Fi, Geräte-ID und Account-Informationen wird Netflix dieser Tage Kunden anschreiben. Entdeckte Nutzer mit einem fremden Account werden auf die Zusatz-Abos für Fr. 5.90 hingewiesen.

5. Wie hat die Einführung der neuen Regelung in anderen Ländern funktioniert?

Netflix rechnet damit, dass die Nutzerzahl mit der neuen Regelung zunächst sinkt. In Kanada etwa, wo die Massnahme im Februar eingeführt wurde, gebe es inzwischen aber mehr zahlende Nutzer und höhere Einnahmen als vorher, betonte der Dienst jüngst. Zur Entwicklung in anderen Ländern äusserte sich Netflix bisher nicht. Am Dienstag wurde der Start der Massnahme im wichtigen US-Markt angekündigt. Dort werden pro zusätzlichem externen Nutzer $ 7.99 fällig. Die Netflix-Aktie schloss nach der Ankündigung vom Dienstag mit einem Minus von knapp zwei Prozent.Von Kanada auf alle anderen Länder schliessen könne man nicht, sagt Beyeler. Er geht davon aus, dass kulturelle Unterschiede je nach Land zu ganz anderen Folgen führen können. Allgemein kommuniziere Netflix sehr wenig. Zahlen zu Umsatz und Gewinn würden immer nur für Grossregionen publiziert. Die Schweiz gehört für Netflix etwa zum Grossraum «Europa, Afrika und Naher Osten».

6. Kann man die neue Regelung umgehen?

«Man kann alle Regeln umgehen», sagt Beyeler. Insbesondere, wenn sie so schwer durchsetzbar ist wie die neue Netflix-Regelung. Richtet man etwa einen VPN-Tunnel (geschützte Netzwerkverbindung) zu sich nach Hause ein, dann sind die IP-Adressen nicht mehr nachvollziehbar.Simpelste Möglichkeit zur Umgehung bleibt, nebst dem Netflix-Account auch das Wi-Fi zu teilen, beispielsweise mit den Nachbarn.

7. Wie machen es andere Streaming-Anbieter in der Schweiz?

Die bekanntesten in der Schweiz verfügbaren Streaming-Anbieter sind Netflix, Amazon Prime, Apple TV, Disney+, Sky Show und Paramount+. Swisscom bietet mit blue+ eine Schweizer Alternative.

Bei allen Streaming-Anbietern gilt die Haushaltregel, haushaltfremde Nutzerinnen und Nutzer werden aber toleriert. Weil gleichzeitig alle Anbieter das parallele Streaming auf maximal vier Geräte beschränken, ist auch die Nutzerzahl limitiert. Dabei ist Netflix mit 25 Franken für vier Geräte das teuerste Abo. Die anderen Anbieter kosten pro Monat zwischen 10 und 15 Franken.

8. Wird Netflix mit der neuen Regel Marktanteile verlieren?

Falls Netflix tatsächlich Nutzer sperrt, die bis zu 300 Franken jährlich bezahlen, dann würde der Anbieter sicher Einnahmen verlieren, sagt Beyeler. Denn für jeden gesperrten Account müsste Netflix mehr als vier Zusatzabos verkaufen, um den Verlust zu kompensieren. Beyeler glaubt, dass Netflix vorsichtig ist, da seine Nutzerzahlen seit einer Weile stagnieren. Und das, während andere Anbieter wie Disney Plus Nutzerinnen gewinnen.