Streit um die Impfpflicht in Deutschland: Die Zustimmung bröckelt – vor allem wegen Omikron
Stets wurde eine Impfpflicht in Deutschland in den letzten eineinhalb Jahren abgelehnt, von Altkanzlerin Angela Merkel ebenso wie von ihrem amtierenden Nachfolger Olaf Scholz von der SPD. Doch die zunehmenden Impfdurchbrüche und die drohende, ansteckendere Omikron-Welle haben zu einem Umdenken geführt. Im Januar, spätestens im Februar will der deutsche Bundestag über eine Impfpflicht entscheiden, wie sie etwa Österreich einführen will.
Doch ob die strikte Massnahme tatsächlich kommen wird, ist längst nicht mehr so sicher wie noch vor vier Wochen: Virologinnen und Experten sehen die – nach ersten Erkenntnissen – im Vergleich zu Delta etwas abgeschwächte Omikron-Variante als Weg in den endemischen Zustand. Viele Politikerinnen und Politiker stellen sich inzwischen die Frage, ob eine Impfpflicht dann überhaupt noch nötig sein wird. Zudem ist völlig unklar, wie eine Impfpflicht durchgesetzt werden, für wie lange sie gelten und für wen sie verpflichtend sein soll.
Die Rede ist in Deutschland bereits von einer weiteren Auffrischimpfung im zweiten Quartal 2022, unter anderem betont der Charité-Virologe Christian Drosten, dass ein weiterer, dem Omikron-Virus angepasster Booster nötig sein werde, um die Pandemie zu beenden. Würde die Pflicht dann auch für diesen weiteren Booster und mögliche Folgende gelten? Und: Wie wie hoch sollen Bussen für Impfverweigerer sein? Droht bei Nichtbezahlung gar Gefängnisstrafe? Führt eine Impfpflicht zu einer weiteren Radikalisierung der Querdenkerszene?
Impfpflicht nur für bestimmte Menschen?
Der Bundestag – das Parlament hat bereits eine ab März geltende Impfpflicht für Pflegeberufe durchgesetzt – wird sich mit verschiedenen fraktionsübergreifenden Anträgen zur Impfpflicht befassen. Einerseits fordern Politikerinnen und Politiker verschiedener Parteien eine generelle Impfpflicht für alle Erwachsenen ab 18 Jahren. Ein weiterer Antrag lehnt eine Impfpflicht kategorisch ab. Und dann dürfte auch noch eine Art Kompromiss-Vorschlag im Bundestag verhandelt werden, der sich an der griechischen Praxis orientiert: Eine Impfpflicht lediglich für Risikogruppen, also Menschen mit Vorerkrankungen oder ältere Bürgerinnen und Bürger. Eine solche, so die Argumentation, würde reichen, um das Gesundheitswesen vor Überlastung zu schützen.
Vor allem die mitregierende FDP hadert mit dem starken Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger. FDP-Chef Christian Lindner – inzwischen deutschen Finanzminister – hat zwar signalisiert, dass er einer Impfpflicht zustimmen würde. Doch zuletzt äusserten mehrere FDP-Mitglieder offen Skepsis gegen das von Grünen, SPD und Teilen der Union unterstützte Obligatorium. Justizminister Marco Buschmann (FDP) hält eine Impfpflicht für wenig sinnvoll, «wenn das Impfen absehbar nur für zwei, drei Monate helfen sollte», um die letzte Phase der Pandemie zu überstehen. Parteikollegin und Bundestagsabgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus sind noch zu viele Fragen rund um ein Obligatorium offen. Sie sagt:
«Eine allgemeine Impfpflicht kann meiner Meinung nach nicht beschlossen werden, solange wir nicht einmal wissen, wie häufig wir diese Pflicht den Menschen auferlegen.»
Im Bundestag steht also schon bald eine heisse Debatte über ein Impfobligatorium an. Tendenziell gibt es eine Mehrheit für eine Impfpflicht. Doch diese bröckelt. Die Abgeordneten sind bei der Abstimmung nicht dem Fraktionszwang unterworfen.