Team Turbo gegen Team Vorsicht: FDP-Schoop will alle Massnahmen aufheben, SP-Suter bremst wegen Long-Covid-Fällen
Team Turbo gegen Team Vorsicht, der freisinnige Unternehmer gegen die sozialdemokratische Nationalrätin, das liberale Prinzip der Eigenverantwortung gegen das sorgfältige Abwägen mit Fokus auf die Gesundheit: Als FDP-Grossrat Adrian Schoop und SP-Nationalrätin Gabriela Suter am Dienstagabend im «Talk Täglich» von Tele M1 aufeinandertrafen, begegneten sich auch zwei politische Welten. Moderator und AZ-Chefredaktor Rolf Cavalli wollte von den ungleichen Gesprächspartnern wissen, wie sie zu den Lockerungsvorschlägen des Bundesrats stehen.
Für Schoop, der während der Pandemie mehrfach die kantonalen und nationalen Entscheidungsträger als ängstlich kritisiert hatte, war die Antwort klar: «Wenn laut Bundesrat rund 95 Prozent der Bevölkerung immunisiert sind, weil sie entweder eine Impfung oder eine Infektion hinter sich haben, müssen wir sofort öffnen und alle Massnahmen aufheben.» Schoop sagte weiter, die Schweiz und der Aargau müssten nun «von Angst und Panik wegkommen und endlich auf die Eigenverantwortung setzen».
Suter: «Eine schrittweise Öffnung ist wegen Long-Covid der bessere Weg»
Gabriela Suter konterte: «Die Pandemie hat uns mehrmals überrascht, eine schrittweise Lockerung wäre aus meiner Sicht der bessere Weg.» Dann könne man je nach Verlauf den nächsten Öffnungsschritt wagen oder auch wieder einen zurückgehen. Für sie stehe eindeutig die Gesundheit der Bevölkerung im Vordergrund, hielt Suter fest und wies auf die Gefahr von zahlreichen Long-Covid-Fällen hin.
Die SP-Nationalrätin sagte, sie gehöre dem Team Vorsicht an und sprach sich dafür aus, die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr, bei Veranstaltungen mit viel Publikum und auch an den Schulen weiterhin beizubehalten. In ihrem Umfeld gebe es Leute, die kein gutes Gefühl hätten, im Restaurant essen zu gehen, wenn auch Ungeimpfte dort wieder Zutritt hätten, sagte Suter. Sie wies weiter darauf hin, dass erst ein kleiner Teil der Kinder geimpft sei und gerade diese Altersgruppe deshalb besonders gefährdet sei.
Schoop: «Es wurde zu viel gejammert, die harte Triage ist nie eingetreten»
Schoop sah dies völlig anders und rief den Aargauer Regierungsrat, der sich am Mittwoch zu den Lockerungsvorschlägen des Bundes äussern will, zu mehr Mut auf. «Wenn wir jetzt nicht alle Coronamassnahmen aufheben können, wann dann?», fragte der Freisinnige. Er schaue die täglichen Zahlen nicht mehr an, denn während der Pandemie sei viel gejammert worden, die Überlastung der Spitäler und eine harte Triage seien aber nie eingetreten. «Wer sich weiterhin mit einer Maske schützen will, soll das von mir aus tun, aber wir sollten das niemandem mehr vorschreiben», sagte er. Der gesunde Menschenverstand gebiete jetzt eine vollständige Öffnung, forderte Schoop.
Suter entgegnete, die Lage der Spitäler sei immer noch angespannt, und sie fragte Schoop, ob er jemals mit dem Pflegepersonal gesprochen habe. Für die SP-Nationalrätin ist überdies klar: «Die Pandemie ist nicht einfach vorbei, ich befürchte, dass sie im Herbst mit einer neuen Mutation zurückkommt.» Sie erhofft sich vom Regierungsrat eine vorsichtige Positionierung und hielt fest, Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati habe sich zuletzt erfreulicherweise auf wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt.
Von Moderator Cavalli auf die ungewöhnliche Situation angesprochen, dass sie als SP-Politikerin den SVP-Regierungsrat lobe, sagte Suter, bei der rationalen Betrachtung der Pandemie hätten sie Gemeinsamkeiten. Auch hier widersprach Schoop, aus seiner Sicht haben Infektiologen bei Entscheidungen zu viel Einfluss. Der FDP-Grossrat kritisierte, die Regierung habe oft gemacht, was Experten empfohlen hätten, aber zu wenig politisch abgewogen und selber entschieden. Einig waren sich die beiden nur ganz am Schluss des Talks: Sie freuen sich auf unbeschwertes Zusammensein, Schoop mit Händedruck zur Begrüssung, Suter auf ein Sommerfest mit Freunden.