Reservekraftwerk in Birr soll Blackout verhindern – vor 60 Jahren scheiterten Pläne für ein Ölkraftwerk im Fricktal am Widerstand der Bevölkerung
Um eine drohende Stromlücke zu verhindern, will der Bund notfalls ein Reservekraftwerk in Birr mit Öl betreiben – dafür sollen Vorschriften zur Luftreinhaltung gelockert werden. Der Kanton Aargau unterstützt diese Pläne, wie Energiedirektor Stephan Attiger am Donnerstag an einer Medienkonferenz sagte. In der AZ sprach sich Grünen-Grossrat Jonas Fricker dafür aus, im Notfall auf ein solches Ölkraftwerk zu setzen. Und auch vor Ort scheint es keinen Widerstand zu geben: «Lieber Strom als Birr, als gar keinen Strom», sagte Gemeindeammann René Grütter gegenüber Tele M1.
Anders sah dies vor rund 60 Jahren aus, als im Fricktal ein Ölkraftwerk geplant war. In den frühen 1960er-Jahren waren Energiefachleute der Überzeugung, dass Strom aus Atomkraftwerken erst in 10 bis 15 Jahren verfügbar sein würde. Um diese Zeit zu überbrücken und die erwartete Energielücke zu schliessen, setzten sie auf Öl- oder Kohlekraftwerke. Auch im Aargau verfolgten Firmen wie Elektrowatt oder Motor Columbus konkrete Projekte. Als mögliche Standorte für Ölkraftwerke waren Sisseln, Rietheim oder Kaiseraugst im Gespräch.
Grossrats-Vorstoss gegen Ölkraftwerk schon 1962
Doch schon 1962 regte sich Widerstand: Isidor Bürgi, Tierarzt in Frick und Grossrat, reichte bei der Regierung eine Interpellation ein. Bürgi, der für die Bauern- und Gewerbepartei (BGB, Vorgängerpartei der SVP) im Kantonsparlament sass, wies in seinem Vorstoss speziell auf die drohende Luftverschmutzung hin.
In seiner Antwort räumte der Regierungsrat ein, dass die Schwefeldioxidbelastung problematisch werden könne. Weil es damals noch keine wirksamen Filter gab, wäre nur der Bau von Hochkaminen aus Ausweg geblieben, um die drohende Luftbelastung im Rahmen zu halten.
Doch so weit kam es nicht: Gegen die geplanten Öl- oder Kohlekraftwerke im Fricktal formierten sich die Gegner. Im November 1963 fand in der Turnhalle in Frick eine grosse Volksversammlung mit 700 Teilnehmern statt. Isidor Bürgi referierte ausführlich über die drohende Luftbelastung, zudem wurde ein Aktionskomitee für die Reinerhaltung der Luft im Fricktal gegründet.
«Gmeind» sagt deutlich Nein zu Kraftwerksplänen
Gleichzeitig trieb Motor Columbus die Pläne für ein thermisches Kraftwerk in Kaiseraugst voran. Geplant war eine Anlage, die 700 000 Tonnen Kohle oder 500 000 Tonnen Öl pro Jahr verbrennen sollte. Für die Gemeinde lockten Steuereinnahmen von 400 000 Franken pro Jahr.
Im Januar 1964 fand deshalb in Kaiseraugst eine ausserordentliche Gemeindeversammlung statt. Diese lehnte den Bau eines thermischen Kraftwerks mit 171 zu 10 Stimmen deutlich ab. Dies entsprach auch der Haltung des Aktionskomitees – dieses hatte sich dafür ausgesprochen, statt Öl- und Gasanlagen direkt Atomkraftwerke zu erstellen. Diese wurden in den 1960er-Jahren auch von Naturschutzorganisationen in der Schweiz bevorzugt, weil sie keine Luftschadstoffe verursachten.