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Alpiq-Chefin Antje Kanngiesser warnt: «Energieproblem wird noch grösser»

In einem Interview erhebt Alpiq-Chefin Antje Kanngiesser schwere Vorwürfe gegen die Politik: Obwohl sich eine Strommangellage seit 2015 abzeichne, habe diese nichts getan. 

Die Angst vor Blackouts dürfte die Menschen in der Schweiz auch in den nächsten Wintern begleiten. Dies ist zumindest die Einschätzung von Antje Kanngiesser, CEO des Stromkonzerns Alpiq. In einem am Freitag erschienenen Interview mit dem «Tages-Anzeiger» warnt die Deutsche die Schweiz vor den Folgen des Abseitsstehens bei der auf 2025 geplanten Verwirklichung eines EU-internen Strommarkts: «Faktisch droht die Schweiz vom europäischen Energiehandel abgekoppelt zu werden», sagt sie.

Importe im Winter könnten schon ab 2026 «viel komplizierter bis unmöglich werden», umgekehrt könnten Schweizer Unternehmen ihren Sommerstrom dann kaum noch exportieren. «Wenn das eintritt, dann ist die Strommangellage in der Schweiz ab 2026 Realität.» Die Politik sei auf eine solche Situation nicht vorbereitet. «Der Bundesrat hätte schon vor Jahren einen Plan zum Ausbau der Stromproduktion vorlegen können mit verbindlichen Vorgaben, wie viele Kilowattstunden jedes Jahr zugebaut werden müssen», sagt sie: «Das ist nicht passiert».

VBS warnte schon 2015 vor eine Strommangellage

Dabei habe das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport schon 2015 in einem Risikobericht «Katastrophen und Notlagen» festgehalten, dass eine Strommangellage für die Schweiz das grösste Risiko überhaupt sei. Ein zweiter Risikobericht 2020 habe diese Einschätzung ein weiteres Mal bestätigt. «Der Befund war so eindeutig, dass man hätte Massnahmen ergreifen müssen, aber es passierte nichts», so Kanngiesser.

Unabhängig vom Stand der Verhandlungen mit der EU könne die Strommangellage auch nächsten Winter schon Realität werden. Denn: «Unser Energieproblem wird im nächsten Winter noch grösser», so Kanngiessers Einschätzung.

In den deutschen Gasspeichern lagert noch russische Energie

Denn letztlich sei die Schweiz vom Füllstand der deutschen Gasspeicher abhängig. Dass diese derzeit überdurchschnittlich gut gefüllt sind, habe damit zu tun, dass zu Beginn noch russisches Gas geflossen sei. «Wenn dieses russische Gas nächstes Jahr wegfällt, wissen wir heute nicht, womit Deutschland seine Speicher füllen wird», sagt Kanngiesser.

Sie gibt zu bedenken, dass die kürzlich als Erfolg gefeierten Flüssiggaslieferungen aus Katar nur zwei Prozent des deutschen Gasverbrauchs deckten. «Deutschland müsste also 50 solcher Verträge abschliessen, um seine Gasversorgung zu sichern», rechnet Kanngiesser vor. Dabei befinde es sich aber im Wettbewerb mit anderen Staaten.

Mit einem baldigen Zuwachs der einheimischen Energieproduktion rechnet Kanngiesser nicht. «Vielleicht geht im nächsten Sommer irgendwo in der Schweiz ein weiteres Windrad oder eine Fotovoltaikanlage ans Netz, aber keine Grossanlage», sagt sie: «Mit viel mehr Neuproduktion können wir kurzfristig also nicht rechnen.» Derzeit sei Stromsparen die einzige realistische Möglichkeit, einen Beitrag zur Sicherheit der Energieversorgung zu leisten. (wap)