«Wir alle verhalten uns manchmal rassistisch» – wie der Aargau damit umgeht
An der Podiumsdiskussion über Rassismus brachte es Daniela Oppliger vom Schweizerischen Dachverband Mediation auf den Punkt: «Das Thema ist sehr schambehaftet. Niemand hier würde sich als Rassistin oder Rassist bezeichnen. Und doch haben wir alle schon rassistisch gehandelt.» Auch sie selber habe sich schon dabei erwischt. «Wenn man sich dessen selbst bewusst wird, kann man daraus etwas lernen und sich das nächste Mal anders verhalten.»
Auch Corina Winkler, Mediensprecherin der Kantonspolizei, wies auf diesen Punkt hin: «Wenn ich zugebe, dass ich Vorurteile habe, dann werde ich selber auch bewertet – das wirft ein negatives Licht auf mich.» Sie stelle hohe Anforderungen an ihre Mitarbeitenden – wichtig sei, dass man sich immer wieder selber überprüfe und sich mit Rassismus und Vorurteilen auseinandersetze. Dass möglichst viele Menschen über das Thema nachdenken und diskutieren, ist denn auch das Ziel der «Aktionswoche Aargau gegen Rassismus», die am Dienstag mit einer Podiumsdiskussion eröffnet wurde.
Ein Blick in den Einkaufswagen der türkischen Familie
Sicherheitsdirektor Dieter Egli, der vor der Podiumsdiskussion die Gäste im Namen des Aargauer Regierungsrats willkommen hiess, sprach dieses Phänomen ebenfalls an. Das Aufteilen in Kategorien, das Schubladendenken, es helfe uns, die Welt einfacher wahrzunehmen, als sie effektiv sei. «Und wo beginnt Rassismus? Beim neugierigen Blick in den Einkaufswagen der türkischen Familie? Oder wenn wir uns wundern, dass in den Abschlussklassen immer mehr Namen auf ‹ic› enden?»
An der Diskussion, geleitet von SRF-Moderator Bernard Senn, sprachen auch Celeste Ugochukwu von der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) und Alain Stampfli, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Fachstelle für Rassismusbekämpfung. Senn, bekannt aus der Sendung «Sternstunde Philosophie», wollte von den Gästen wissen, welche Fortschritte sie sich für die nächsten 20 Jahre am meisten wünschten.
Ugochukwu erklärte, er hoffe, dass mehr über die Probleme des strukturellen Rassismus diskutiert wird. «Wenn wir nur einmal im Jahr darüber reden und sonst schlafen, dann bringt das wenig – ich würde mir alle zwei Monate eine solche Runde wünschen.» Zudem würde er bei der Stellensuche gerne anhand seiner Qualifikation beurteilt werden, unabhängig vom Foto oder vom «schwierig auszusprechenden Namen».
Stampfli erklärte unter anderem, dass er sich eine rassismuskritische Schulkultur wünsche. «Das ist eben mehr, als zwei Wochen lang über das Thema zu sprechen – Rassismuskritik sollte in alle Fächer einfliessen.» Zudem müssten Lehrpersonen für entsprechende Vorfälle geschult werden, sagte Stampfli.
Polizei in einer Doppelrolle
Ugochukwu ist in beratender Funktion auch regelmässig mit kantonalen Polizeikorps in Kontakt. Ideale Voraussetzungen, um über Themen wie «Racial Profiling» zu sprechen, doch dazu reichte die Zeit leider nicht. Trotzdem konnte Winkler einen Einblick in die Polizeiarbeit geben. «Wir sind auch Anlaufstelle für Leute, die Opfer von Diskriminierung geworden sind», erklärte sie. Deshalb sei es besonders wichtig, dass von der Polizei möglichst niemand unfair behandelt werde. «Wir holen regelmässig Feedback ein und fragen beispielsweise Personen, wie sie eine Polizeikontrolle erlebt haben.»
Die Podiumsdiskussion bildete den Auftakt zur Woche «Aargau gegen Rassismus». Noch bis am 2. April ist im Stadtmuseum Aarau die Ausstellung «Wir und die Andern. Vom Vorurteil zum Rassismus» zu sehen. Die Ausstellung lädt zum persönlichen Nachdenken ein – auch etliche Schulklassen haben sie bereits besucht.