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Ein Präsident ausser Rand und Band: Eine Beraterin beschreibt, wie Trump einen Secret Service-Agenten attackierte

Mit allen Mitteln wollte sich der abgewählte Präsident Donald Trump nach der Wahl 2020 an der Macht halten. Dies sagte am Dienstag eine hochrangige Angestellte des Weissen Hauses vor einem Ausschuss.

Donald Trump wollte am 6. Januar 2021, als Tausende seiner Anhängerinnen und Anhänger zum Kapitol in Washington marschierten, an der wilden Demonstration beim Parlament teilnehmen. Als seine Berater, unterstützt von Agenten des Secret Service, eine solche ausserplanmässige Reise quer durch die Hauptstadt nicht genehmigen wollten, da wurde Trump so richtig wütend. «Ich bin der verdammte Präsident», schrie er in seiner Limousine, die ihn nach einer Rede in der Nähe des Weissen Hauses zurück in sein Büro fahren sollte. «Bringt mich jetzt zum Kapitol!»

Als sich sein Fahrer weigerte, unter Hinweis auf die angespannte Sicherheitslage in Washington, da soll Trump kurzerhand nach dem Steuerrad des Geländewagens gegriffen haben. Der Secret Service-Agent Robert «Bobby» Engel habe den Präsidenten daraufhin am Arm gepackt und gesagt: «Sir, Sie müssen die Hand weg vom Steuerrad nehmen!» Daraufhin habe Trump versucht, den Personenschützer zu attackieren.

Im Vorzimmer der Macht

Diese bisher nicht bekannte Anekdote erzählte am Dienstag Cassidy Hutchinson, eine hochrangige Beraterin von Mark Meadows, dem letzten Stabschef von Donald Trump. Hutchinson war die Starzeugin einer überraschend anberaumten Anhörung des parlamentarischen Ausschusses im Repräsentantenhaus, der den Sturm auf das Kapitol untersucht.

Hutchinson war eine ideale Zeugin – als Vertraute von Meadows, dem nicht besonders dynamisch agierenden Stabschef, befand sie sich am Ende der Präsidentschaft von Trump im Zentrum des Geschehens. Sie hörte, wie die hochrangigen Berater des Präsidenten versuchten, den Republikaner an der Macht zu halten, obwohl der Demokrat Joe Biden die Wahl im November 2020 gewonnen hatte. Sie stand im direkten Kontakt mit Figuren wie dem schmierigen Anwalt Rudy Giuliani und dem verstossenen Sicherheitsberater Mike Flynn.

Trump war es egal, dass seine Anhänger bewaffnet waren

So konnte Hutchinson aus erster Hand erzählen, wie besorgt einige Trump-Berater am Morgen des 6. Januar waren, als sich abzeichnete, dass viele Demonstrantinnen und Demonstranten sich mit Stöcken oder Messer bewaffnet hatten. Trump sei dies egal gewesen, sagte die Meadows-Beraterin. Er habe sich stattdessen genervt, dass seine Rede im Vorgarten nicht besser besucht sei, weil sich einige Menschen weigerten, sich von ihren Waffen zu trennen. Auch habe Trump gesagt: Die Leute seien nicht hier, um ihn zu verletzen.

Meadows sei es gewesen, der Trump im Irrglauben gelassen habe, er könne sich den Demonstranten anschliessen und ebenfalls zum Parlamentsgebäude ziehen, sagte Hutchinson weiter. Trump selbst habe über eine Rede vor dem Kapitol schwadroniert oder gar über einen Auftritt im Versammlungssaal des Repräsentantenhauses – in demjenigen Raum also, in dem am 6. Januar unter Präsidium seines Vizes Mike Pence der Wahlsieg von Biden beglaubigt werden sollte. (Aufgrund der Ausschreitungen geschah dies schliesslich erst in den frühen Morgenstunden des 7. Januar.)

Als die Gewalt am frühen Nachmittag eskalierte und Hunderte von Menschen sich Zutritt zum Kapitol verschafften, da habe sich Trump im West Wing des Weissen Hauses verschanzt. «Er will nichts tun», soll sein Stabschef über den Präsidenten gesagt haben.

Später, nachdem einige Trump-Anhänger dazu aufgerufen hatten, Pence zu töten, da soll der Präsident sich zustimmend geäussert haben. Nach einem direkten Gespräch mit Trump sagte Meadows dem Rechtsberater des Weissen Haus: «Du hast ihn gehört, Pat. Er glaubt, Mike [Pence] hat es verdient. Er glaubt nicht, dass sie etwas Falsches tun.» Worauf der Rechtsberater Pat Cipollone gesagt haben soll: «Das ist komplett durchgeknallt.»

Einige dieser Zitate stammten zwar, so räumte Hutchinson offen ein, aus zweiter oder dritter Hand. So dementierten anonyme Secret Service-Agenten, nach Abschluss der Anhörung, am Dienstag die Anekdote über die Attacke Trumps in der präsidialen Limousine. Ihr Anwalt Jody Hunt sagte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, Hutchinson habe unter Eid bloss nacherzählt, was sie am 6. Januar mit eigenen Ohren gehört habe. Als Quelle ihrer Anekdote bezeichnete sie Tony Ornato, den stellvertretenden Stabschef des Weissen Hauses. Secret Service-Agent Engel, der Zeuge dieses Gesprächs gewesen sei, habe Ornato nicht widersprochen, sagte Hutchinson aus.

Auch tat sich die Meadows-Beraterin häufig schwer, sich an den genauen Wortlaut einer Aussage zu erinnern. Und dennoch war sie eine sehr starke Zeugin, die Dinge öffentlich erzählte, die bisher nicht bekannt waren. So soll auch Trumps Stabschef im Nachgang zum 6. Januar beim Präsidenten um eine Begnadigung nachgesucht haben – wohl weil Meadows der Meinung war, gegen Gesetze verstossen zu haben. Trump lehnte diesen Wunsch aber ab.

Trump bezeichnet die Aussagen der Beraterin als Lügen

Der Präsident wies die Aussagen Hutchinsons am Dienstag umgehend scharf zurück. Auf «Truth Social», seinem sozialen Netzwerk, behauptete er, er kenne die Beraterin von Meadows nicht. Die Geschichte, dass er versucht habe, nach dem Steuerrad der Präsidenten-Limousine zu greifen, sei «krank», sagte Trump.

Die Anhänger des abgewählten Präsidenten bezeichnen die Arbeit des Untersuchungsausschusses als Hexenjagd gegen Trump. Und seine Partei entschied sich im vorigen Jahr, die Arbeit der Kommission zu boykottieren. In der Kommission sind zwar dennoch zwei Republikaner vertreten; dabei handelt es sich aber um die Trump-kritischen Abgeordneten Liz Cheney und Adam Kinzinger. Die Zeugen, die während den bisher sechs Anhörungen einvernommen wurden, laufen deshalb nicht Gefahr, von Trump-Freunden in die Zange genommen zu werden.