Ohne Geld der Tabakfirmen geht vielen Festivals der Schnauf aus
Sie sind auffällig unauffällig. Mitten im allgemeinen Trubel stehen an zahlreichen Festivals grosse Zelte ohne Beschriftung. Eintritt nur nach Alterskontrolle ab 18 Jahren. Drinnen: Hippe Musik von DJs, fancy Drinks und alles voller Zigarettenwerbung. An vielen Open Airs wird immer noch munter für den Tabakkonsum geworben. In den letzten Jahren ist die Rauch-Werbung aber dezenter geworden. Auch weil die Volksinitiative «Kinder ohne Tabak» 2022 deutlich angenommen wurde.
Aber selbst in ihrer dezenteren Form ist die Werbung den Initianten immer noch ein Dorn im Auge. Er sei «fassungslos», sagt alt Ständerat Hans Stöckli (SP/BE). Grund für die Fassungslosigkeit des Präsidenten des Trägervereins der Initiative ist der neuerliche Anlauf der Gesundheitskommission, wie das Volksverdikt umgesetzt werden soll. Stöckli: «So, wie es umgesetzt werden soll, zum Beispiel mit den Ausnahmen für Zigarren und Zigarillos, verstösst es nach Ansicht aller Rechtsgelehrten klar gegen die Verfassung.»
Dabei geht es auch um die Frage, ob Tabakkonzerne noch Anlässe sponsern dürfen, die auch durch Minderjährige besucht werden können. In der Gesundheitskommission des Ständerats legt man dieses Verbot grosszügig aus. So sollen unter anderem solche unscheinbaren Zelte weiterhin möglich sein. Und auch mobiles Verkaufspersonal soll weiterhin unterwegs sein dürfen. Für Stöckli ein unsägliches «Buebetrickli». Hier werde verwässert und «einfach nicht umgesetzt, was das Volk gefordert hat». Der Bundesrat schlug eine deutlich härtere Variante vor.
In einer ersten Runde scheiterte es deutlich
Was Stöckli zuversichtlich stimmt: «Es ist knapper geworden, wir haben an Support gewonnen.» Bereits einmal hatte die Gesundheitskommission des Ständerats praktisch dieselbe Vorlage beschlossen. Anders als beim ersten Mal waren einige der Entscheide in der Kommission dieses Mal ziemlich knapp. Zuvor war das Geschäft im Nationalrat deutlich gescheitert: Den Linken war es zu locker, der SVP zu streng. Und wiederholt gab es verfassungsrechtliche Bedenken.
Für Damian Müller (FDP/LU), Präsident der ständerätlichen Gesundheitskommission, war die Vorlage dagegen immer verfassungskonform. «Für uns war klar, dass wir diese Vorlage streng, aber mit Augenmass umsetzen wollen», so Müller. Das Ziel der Initianten sei es gewesen, dass Kinder und Jugendliche vor der Tabakwerbung geschützt werden. Genau das sei nun der Fall, argumentiert Müller. Wer noch weitergehende Verbote wolle, «der müsste eigentlich zugeben, dass es ihm um ein faktisches Rauchverbot geht».
Auch die Wirtschaftsfreiheit sei in der Verfassung verankert. Die Branche habe das Recht, für ihr Produkt zu werben – «die Zielgruppe muss einfach klar sein», sagt der Luzerner Ständerat. «Beim Essen und Alkohol ist es ja auch so, dass wir die Eigenverantwortung der volljährigen Personen respektieren», sagt Müller. Es werde «gelegentlich der Eindruck erweckt, dass die Leute durch Werbung zum Rauchen gezwungen werden», das sei doch lächerlich.
Er betont zudem, dass die Tabakindustrie sich seit Jahren selbst strenge Regeln auferlegt habe. Die Debatte um das Thema Rauchen verlaufe zuweilen sehr emotional, kritisiert er. Gerade für viele Veranstaltungen seien die Beiträge der Tabakindustrie wichtig und würden so auch für viele Nichtraucherinnen und Nichtraucher ein Freizeiterlebnis ermöglichen.
Bei der Branche kommen die Regeln gut an
Bei den Veranstaltern kommt die Version des Ständerats gut an: Mit der nun vorgeschlagenen Version der Umsetzung könnten die meisten Festivals «ganz gut leben», so Stefan Breitenmoser, Geschäftsführer des Verbands der Konzert-, Show- und Festivalveranstalter (SMPA). Bereits seit Jahren würden sich die Veranstalter und die Tabakindustrie freiwillig an ziemlich genau das halten, was die Politik nun fordert: Keine sichtbare Werbung, kein Zugang in den entsprechenden Zelten für Minderjährige, und auch auf den Websites der Festivals sind die Sponsoren nicht aufgeführt.
Breitenmoser spricht davon, dass die Sponsoringbeiträge von den Tabakfirmen teilweise bis zu 15 Prozent der gesamten Sponsoringeinnahmen ausmachen. «Es ist zudem derzeit extrem schwierig wegfallende Sponsoren zu kompensieren», sagt Breitenmoser. Sprich: Bricht der Betrag weg, hat das Festival ein Finanzloch. Gestopft werden kann das etwa durch eine Programmreduktion oder – deutlich wahrscheinlicher – über höhere Eintrittspreise.
Und in einem Jahr mit miesem Wetter, zögerlichem Vorverkauf und einem Konkurrenzkampf mit Fussball und anderen Grossanlässen können die Mittel aus dem Sponsoring verhindern, dass die Zahlen in den tiefroten Bereich fallen. Sonst droht einigen Festivalmachern ohne die Kohle der Raucherwarenfirmen der Schnauf auszugehen.