«Wir haben immer mehr Asylanten» – «Ich habe mehr Angst vor Zugausfällen»: Heimgartner und Kälin über Gewalt an Bahnhöfen
«Ist es Ihnen auch manchmal unwohl, wenn Sie am Abend aus dem Zug aussteigen und wie bei einem Spiessrutenlauf durch eine Gruppe stark alkoholisierter, vielleicht sogar aggressiver junger Männer gehen?» Mit dieser Einstiegsfrage skizzierte AZ-Chefredaktor und Moderator Rolf Cavalli im «Talk Täglich» auf Tele M1 die Thematik. Gewalt an Bahnhöfen ist seit Jahren ein Problem. Eine Auswertung von CH Media zeigte jüngst sogar: Am Bahnhof Aarau hat sich die Anzahl der Gewaltdelikte seit 2016 verdoppelt.
Die Badenerin Stefanie Heimgartner (SVP) und die Neu-Aarauerin Irène Kälin (Grüne) sind als Nationalrätinnen häufig mit dem Zug unterwegs. Wie erleben sie die Situation an Bahnhöfen?
«Es gibt eine Entwicklung, die beunruhigend ist», sagt Kälin. Es gebe mehr Polizeipatrouillen, aber auch mehr Menschen allgemein. Sie beobachte beispielsweise, dass es mehr Obdachlose gebe, schweizweit, aber auch in Aarau. Das Beruhigende sei aber doch, dass trotz der beunruhigenden Statistiken Pendlerinnen und Pendler nicht in Gefahr seien. «Ich habe immer noch mehr Angst vor Zugausfällen oder Stellwerkstörungen als vor Passantinnen oder Passanten», so Kälin.
«Die Polizei hat einfach zu wenig Leute»
Direkt Angst habe sie auch nicht, sagt Heimgartner. Aber sie habe ein ungutes Gefühl, wenn sie etwa zu später Stunde am Bahnhof Bern unterwegs sei. Dort treffe man auf Gruppierungen von Asylsuchenden, Jugendlichen oder Randständigen, die unter Alkohol- oder teilweise auch unter Drogeneinfluss stünden. «Aber die Gewalt ist vor allem unter diesen Gruppierungen», sagt Heimgartner.
Die Polizei habe hier schon viel gemacht, lobt Heimgartner, legt aber gleichzeitig auch den Finger in die Wunde: Der Aargau sei Schlusslicht bei den personellen Ressourcen. Die Polizei habe einfach zu wenig Leute, um immer präsent zu sein.
Zudem wachse die Bevölkerung und es kämen «immer mehr Asylanten», sagt die SVP-Nationalrätin. Statistiken zeigten, dass Ausländer vermehrt Gewaltdelikte verüben. Oftmals habe die Polizei aber keinen Haftgrund und könne nur zeitlich begrenzte Wegweisungen aussprechen.
Es brauche daher nicht nur schnellere Ausschaffungen, sondern auch geschlossene Asylunterkünfte, damit renitente oder gewalttätige Personen gar nicht mehr an die Bahnhöfe könnten. «Es kann nicht sein, dass wir Menschen ein Dach über dem Kopf in einem freien, sicheren Land geben, aber letztlich wir Angst haben müssen.»
Jugendlichen fehlt die Tagesstruktur
In einem Punkt stimmt Kälin zu: Es gebe zu wenig Polizistinnen und Polizisten im Aargau. Die Frage sei aber schon: «Ist es richtig, alle an den Bahnhof zu stellen für ein vermeintliches Sicherheitsgefühl?» Denn, so höre man es auch von Fachleuten: Mit mehr Polizeipräsenz komme es nicht zu weniger Gewalttaten.
Gleichzeitig kritisiert Kälin: «Den schwarzen Peter nur den Asylsuchenden zuzuschieben, ist zu kurz gegriffen.» Wenn man die Leute noch mehr einsperre, hätten sie auch noch mehr Grund auszubrechen. Es brauche aber Massnahmen, so Kälin weiter: Die Menschen müssten beschäftigt werden, eine Tagesstruktur haben. Aber das koste eben auch Geld.
«Was mir persönlich auffällt», sagt Heimgartner, «dass die Jugendlichen keine Hobbys mehr haben.» Früher sei man noch in den Sportverein gegangen, in die Jungwacht oder in den Wald. Heutzutage würden die Jugendlichen einfach nur «go hänge». Die Ursache dafür scheint Heimgartner auch ausgemacht zu haben: «Das hat auch mit der antiautoritären Erziehung zu tun.»
Man könne nicht alle Jugendlichen in einen Topf werfen, widerspricht Kälin. «Nur weil sie nicht mehr in der Schule geschlagen werden, sind die Jugendlichen nicht frecher oder gewaltbereiter.»
«Wie sähe denn der ideale Bahnhof aus?», fragt Moderator Cavalli zum Abschluss. Vom Angebot schon eher Aarau, sagte Kälin. «Weil es hell ist, Begegnungsmöglichkeiten gibt.» Auch Heimgartner schätzt es, wenn ein Bahnhof hell und offen ist. (phh)