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Schlachtfeld-Tour oder Solidaritätsreise? SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner und Grünen-Präsident Daniel Hölzle streiten über Ukraine-Trip von Irène Kälin

Ist es ein Zeichen von Solidarität – oder hat sie die Schweizer Neutralität verletzt und sich auf einen Ego-Trip begeben? Diese Frage wird seit der Reise von Nationalratspräsidentin Irène Kälin (Grüne, Aargau) nach Kiew letzte Woche kontrovers diskutiert – am Dienstag auch im «TalkTäglich» auf Tele M1.

Ganz zu Beginn waren sich SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner und Grünen-Aargau-Präsident Daniel Hölzle einig. Sie sagten im «TalkTäglich» auf Tele M1 beide, sie wären nicht mit Kälin in die Ukraine gereist. Dies allerdings aus ganz verschiedenen Gründen – und ebenso unterschiedlich beurteilen die Politiker den umstrittenen Besuch.

Hölzle sagte, er wäre nicht mitgereist, weil dies aus beruflichen Gründen kurzfristig nicht möglich gewesen wäre. Er finde es aber völlig richtig, dass Kälin die Einladung des ukrainischen Parlamentspräsidenten angenommen und in Kiew die Solidarität der Schweiz mit der Ukraine gezeigt habe.

Giezendanner: «Das war nahe am Amtsmissbrauch»

Giezendanner sagte, er habe keine Einladung erhalten, wäre aber auch nicht mitgereist, weil die Aussenpolitik eine Aufgabe des Bundesrats sei. Dass mit dem Genfer Yves Nidegger auch ein SVP-Nationalrat mit Kälin nach Kiew gereist sei, habe ihn sehr enttäuscht. «Er wollte wohl etwas erleben, aber das ist reiner Schlachtfeld-Tourismus», kritisierte Giezendanner.

Scharf ging der SVP-Politiker auch mit Kälin ins Gericht, die sich selbst inszeniert und nur ausgewählte Journalisten nach Kiew mitgenommen habe. «Das war aus meiner Sicht ganz nahe am Amtsmissbrauch, sie ist mit dem Bundesratjet nach Polen geflogen, musste in Kiews von der ukrainischen Armee bewacht werden und konnte dort nichts verteilen, weder Waffen noch Geld für den Wiederaufbau.»

Hölzle widersprach entschieden und sagte, die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung stehe wohl dahinter, dass die Nationalratspräsidentin in der Ukraine ihre Solidarität zeige. «Das ist eine repräsentative Aufgabe, man muss Stellung beziehen gegen den Wahnsinn, der dort abgeht, gegen den russischen Angriffskrieg.»

Hölzle: «Es ist blauäugig, an Schweizer Diplomatie zu glauben»

Giezendanner kritisierte die Aussage von Kälin, dass sie derzeit keine Einladung nach Moskau annehmen könnte. Dies sei eine falsche Haltung für die Vertreterin eines neutralen Staates. «Wenn der Krieg beendet werden soll, braucht es Diplomatie, es wäre eine wichtige Aufgabe für Bundesrat Cassis, wie 2014, als die Schweiz vermittelte bei den Minsker Abkommen.»

Hölzle konterte, es sei ziemlich blauäugig, wenn man in der jetzigen Situation davon aus- gehe, dass die Schweiz diplomatisch etwas bewirken könne. Man könne neutral sein und einen Angriffskrieg dennoch klar verurteilen. «Wenn jemand derart wütet, wie es das russische Militär in der Ukraine derzeit tun, dann ist auch den Russen selber klar, dass sie Sympathien verlieren», argumentierte der Grünen-Präsident. Deshalb sei es für ihn auch nachvollziehbar, dass Kälin eine Einladung nach Moskau ablehnen würde.

Fast zum Ende der Sendung gab es noch einen Punkt, in dem sich die beiden ungleichen Politiker einig waren. Beide sprachen sich gegen Waffen- oder Munitionslieferungen aus der Schweiz an die Ukraine aus. Giezendanner ist bei dieser Frage zwar grundsätzlich liberal eingestellt, aber an direkte Kriegsparteien könne man keine Waffen liefern, fand er. Hölzle hielt fest, er finde Waffenexporte grundsätzlich falsch, auch wenn die deutschen Grünen nun solche in die Ukraine forderten.