So beeinflussen Elon Musks Pläne für Twitter Demokratien auf der ganzen Welt
«Der Vogel ist frei» – mit diesen Worten verkündete Elon Musk vor wenigen Tagen den milliardenschweren Twitter-Deal. Der selbst ernannte «Absolutist der Meinungsfreiheit» will beim Kurznachrichtendienst kräftig aufräumen: Er hat kurzerhand die Topmanager entlassen und will die Moderation von Inhalten durch die Schaffung eines neuen Gremiums regeln. Musk sieht sich als Retter der Meinungsfreiheit, der den «digitalen Marktplatz» Twitter von woken Einflüssen befreien will.
Seine Vision kommt nicht überall gut an. Während die US-Republikaner feixen und auf eine Rückkehr von Ex-Präsident Donald Trump, dessen Account nach dem Sturm auf das Kapitol 2021 gesperrt worden war, befürchten die Demokraten, dass Trumps Anhänger Verschwörungstheorien verbreiten. Musk selbst hatte vor wenigen Tagen von seinem Account, dem mittlerweile 113 Millionen Nutzer folgen, eine krude Theorie über den tätlichen Angriff auf den Ehemann der Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi verbreitet.
Der Chef leistet sich ständig Entgleisungen
Der Tesla-Gründer war mit beleidigenden Kommentaren in der Vergangenheit immer wieder übers Ziel hinausgeschossen. Mal verglich er den kanadischen Premierminister Justin Trudeau mit Hitler, mal machte er sich über das Gewicht von Bill Gates lustig.
Musk gefällt sich in der Rolle des Clowns, der die Grenzen des Sagbaren testet. Doch nun ist der Supertroll der Superchef eines börsennotierten Konzerns. Und die Frage ist, wer den «Chief-Twit» (zu Deutsch: Cheftrottel) in die Schranken weist. Werden demokratische Politiker der Plattform den Rücken kehren? Wird das Portal unter Musk die Spaltung Amerikas vorantreiben? Könnte Musk Einfluss auf die Zwischenwahlen nehmen und vielleicht sogar bewirken, dass die Republikaner mehr Stimmen bekommen?
Twitter ist ein machtvolles Diskurswerkzeug. Es ist die Startrampe für Hashtag-Aktivisten, soziale Bewegungen wie Black Lives Matter oder MeToo nahmen hier ihren Ursprung. Entsprechend gross ist die Verantwortung des neuen Eigentümers – und zwar nicht nur in Bezug auf das eigene Unternehmen, sondern auch auf die Demokratie.
Musk will Meinungsroboter von der Plattform verbannen. Andererseits will er aber auch Menschen vor die Tür setzen: Laut Medienberichten soll die Hälfte aller Jobs bei Twitter wegfallen. Das könnte den Dienst anfälliger für Meinungsmanipulation machen.
Wird Twitter eine Fake-News-Schleuder?
In das Faktencheckprogramm Birdwatch, das Twitter im vergangenen Jahr lanciert hat und an dem mittlerweile 15000 freiwillige Nutzer teilnehmen, soll sich bereits ein Anhänger des Verschwörungskults QAnon eingeschleust haben. Das zeigt das Dilemma der Content-Moderation: Die künstliche Intelligenz ist noch nicht so weit, um Fake News verlässlich zu erkennen, also braucht es den Menschen als Sortiermaschine.
Musks libertär motivierter Hands-off-Ansatz ist eine riskante Strategie. Sein Plan, den Twitter-Algorithmus transparent zu machen, könnte ein probates Mittel sein, weil der Programmcode in der Vergangenheit die Verbreitung extremer politischer Ansichten befeuert hat. Es könnte aber auch eine Einladung an Propagandisten sein, ihre eigenen Regeln zu schreiben und Inhalte in die Timeline zu bugsieren. Unter diesen Umständen könnte Twitter zu einer Fake-News-Schleuder verkommen, in der öffentliche Personen vogelfrei sind.