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«Das ist sehr unfair für mich, Fehler haben Konsequenzen»: Novak Djokovic greift Wimbledon an und deutet Boykott an

Die Ankündigung, als Reaktion auf den Ausschluss russischer Spieler in Wimbledon keine Punkte für die Weltrangliste zu verteilen, schlägt hohe Wellen. Zu den schärfsten Kritikern gehört Novak Djokovic.

Am Freitag, zwei Tage vor Beginn der French Open, kündigten die Profi-Organisationen der Männer (ATP) und Frauen (WTA) an, in diesem Jahr in Wimbledon keine Punkte für die Weltrangliste zu vergeben. Das Turnier hatte zuvor als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine Spielerinnen und Spieler aus Russland vom Turnier ausgeschlossen. Die ATP warf Wimbledon in einer Stellungnahme Diskriminierung vor.

Sowohl der Ausschluss von Athletinnen sowie die Reaktion darauf, keine Punkte für die Weltrangliste zu verteilen, stossen in Spielerkreisen auf heftige Ablehnung. Die Schweizerin Jil Teichmann sagte am Sonntag: «Es ist schade, dass ein Grand-Slam-Turnier wie Wimbledon in ein Exhibition-Turnier umgewandelt worden ist. Zunächst ging es um den Ausschluss weniger, nun verpassen alle etwas.» Belinda Bencic zeigte Verständnis für den Ausschluss Einzelner, nicht aber für die Entscheidung, keine Punkte für die Weltrangliste zu verteilen. Sie sagt: «Nun werden einfach alle bestraft.»

Auch Jil Teichmann äusserte Kritik an der Entscheidung von ATP und WTA.
Sven Thomann/Freshfocus/ Blick

Djokovic: «Fehler haben Konsequenzen»

Besonders scharfe Kritik an der Entscheidung Wimbledons formulierte Novak Djokovic, der Titelverteidiger und sechsfache Sieger des Turniers. Nach gewonnenem Auftaktspiel in Paris sagte der Serbe am Montag um Mitternacht, es freue ihn, dass die Spieler und die Tennisorganisationen – die ATP und der Tennisweltverband ITF – sich gegen die Entscheidung Wimbledons wehren. «Damit zeigen wir: Wenn Fehler gemacht werden, wie in diesem Fall von Wimbledon, hat das Konsequenzen.»

Gegenüber serbischen Medien sagte Djokovic, er habe Zugang zu einem Dokument der britischen Regierung gehabt, die Wimbledon Alternativen zu einem Ausschluss aufgezeigt hätten. «Dennoch hat sich Wimbledon für diesen Weg entschlossen, ohne mit jemanden zu reden.» Tatsächlich hat die Regierung den Organisatoren des Rasenturniers vorgeschlagen, die Spielerinnen und Spieler aus den betroffenen Ländern antreten zu lassen, sofern diese sich in einer schriftlichen Erklärung vom Regime und der Invasion in der Ukraine distanzieren. Wimbledon verwarf die Idee, weil sie die Sicherheit der Betroffenen und ihrer Familien gefährden würde.

Der Russe Daniil Medwedew dürfte bald wieder die Nummer 1 der Welt sein.
Kirsty Wigglesworth/AP

Für einige Spielerinnen und Spieler hat die Entscheidung der ATP massive Folgen, nicht zuletzt für Novak Djokovic, dem als Titelverteidiger 2000 Punkte aus der Wertung fallen und der damit – Ironie des Schicksals – spätestens nach Wimbledon wieder vom Russen Daniil Medwedew von der Spitze der Weltrangliste verdrängt wird. Djokovic sagt dazu: «Das ist sehr unfair für mich und andere, die im letzten Jahr gut gespielt haben.»

Novak Djokovic, der das Ranking bisher während 370 Wochen und damit so lange wie kein anderer angeführt hat, sagt: «Ich verliere 4000 Punkte aus politischen Gründen.» Er spielte damit auch auf die Australian Open Anfang Jahr an, wo er ebenfalls Titelverteidiger gewesen wäre, aber nicht antreten konnte. Djokovic war die Einreise verweigert worden, weil er nicht gegen das Coronavirus geimpft ist. Ein Gericht folgte damals der Argumentation des australischen Einwanderungsministers, Djokovic gelte als «Ikone der Impfskeptiker» und er stelle mit seiner Anwesenheit in Australien eine Gefahr für Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung dar.

Djokovic will Wimbledon-Titel verteidigen

Das letzte Wort ist in der Sache Wimbledon aber offenbar noch längst nicht gesprochen, wie Djokovic sagte. Der Dialog werde fortgesetzt: «Ich habe gehört, dass über 30 Spieler dagegen vorgehen wollen.» Selbst ein Boykott ist nicht ausgeschlossen. Das wäre in Wimbledon kein Novum. 1973 hatten sich 81 Spieler, darunter 13 der damals 16 Gesetzten mit Niki Pilic solidarisiert. Dieser hatte sich zuvor geweigert, für Jugoslawien im Davis-Cup anzutreten und war daraufhin vom Tennisweltverband gesperrt worden. Pilic war von 1999 bis 2003 Trainer von Novak Djokovic.

Novak Djokovic nach seinem Wimbledon-Sieg 2021.
Keystone

Welche Schritte die Spieler in Erwägung ziehen, führte Djokovic zu später Stunde nicht aus. Er schlug allerdings vor, Punkte aus dem Vorjahr nicht verfallen zu lassen, sondern diese – wie während der Coronapandemie – für ein Jahr einzufrieren. Djokovic ist Co-Präsident der Spielervereinigung PTPA (Professional Tennis Players Association), der nach eigenen Angaben über 100 Spielerinnen und Spieler angehören sollen. Innerhalb des Tennis-Ökosystems spielt die PTPA noch keine anerkannte Rolle.

Ungeachtet der Kritik an Wimbledon und ungeachtet dessen, ob Preisgeld und Punkte für die Weltrangliste verteilt werden, will Djokovic selber am Turnier teilnehmen. Er ist sechsfacher Sieger und aktueller Titelträger.