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Stan Wawrinka: Der Leidensfähige scheitert wieder und macht es besser

Seit der Rückkehr von Stan Wawrinka auf den Tennisplatz lassen sich die Erfolge an einer Hand abzählen. Trotzdem wird sich der 37-jährige Romand nicht von seinem Weg abringen lassen.

Stan Wawrinka (ATP 322) scheitert in der Nacht auf Dienstag beim ATP-1000-Turnier in Montreal an der Starthürde. Der 37-jährige Waadtländer muss sich dem Finnen Emil Ruusuvuori (ATP 44) in drei Sätzen 3:6, 6:3, 3:6 geschlagen geben. Schon wieder ist bei erster Gelegenheit Schluss. Zum dritten Mal in Folge. Acht Niederlagen stehen erst drei Siegen in diesem Jahr gegenüber. Isoliert betrachtet verheissen die Resultate des dreifachen Grand-Slam-Siegers wenig Gutes. Es gibt aber auch eine andere Lesart.

«Ich habe eine sehr viel langfristigere Vision», hatte Wawrinka im Gespräch mit dieser Zeitung Mitte Mai verraten. Rückblende: Nach der Partie am 9. März 2021 beim Turnier in Doha sollte eine langwierige Verletzungspause folgen. Seit geraumer Zeit plagten den Romand Schmerzen am linken Fuss. Eine Operation sollte Abhilfe schaffen. Doch die Beschwerden nahmen nach der ersten OP zu. Er musste sich ein zweites Mal unters Messer legen. Wawrinka durchlebte dunkle Stunden, weinte im Spitalbett, war verzweifelt.

385 Tage vergehen bis zum Comeback

Die einstige Nummer 3 der Welt will es trotzdem noch einmal wissen. 385 Tage vergehen bis zu seinem Comeback im Tennis-Zirkus. Angetrieben von der Liebe zum Tennis, zum Spiel und zum Wettkampf kehrte der 37-Jährige beim Challenger-Turnier in Marbella am 29. März dieses Jahres zurück. Zwar verlor er gegen den Schweden Elias Ymer und lief unter Tränen vom Platz, doch das Augenwasser war diesmal der Erleichterung geschuldet.

Grosse Erleichterung nach der Rückkehr in Marbella beim 37-jährigen Waadtländer.
Keystone

Anfang Mai folgte in Rom der erste Sieg nach langer Durststrecke. Mit dem Amerikaner Reilly Opelka bezwang er gleich einen Spieler aus den Top 20. In Runde zwei folgte ein weiterer Triumph über den Serben Laslo Djere. «Das war absolut genial, ein grossartiges Gefühl, vor diesem Publikum zu spielen, diese Unterstützung zu spüren. Das ist der Grund, weshalb ich zurückgekehrt bin, weshalb ich so hart arbeite», sagte Wawrinka nach diesem Erfolg.

Der Arbeiter gibt sich Zeit

Der dritte und bislang letzte Erfolg in diesem Jahr folgte in Queens über den Amerikaner Frances Tiafoe, gegen einen Spieler aus den Top 30. Er kann es also noch immer: sich mit den Besten messen und sie bezwingen. Die jüngsten Misserfolge waren einkalkuliert. «Das geht nicht von Null auf Hundert. Aber ich arbeite wirklich sehr, sehr hart. Ich bin nicht blauäugig und mir im Klaren darüber, dass es noch sehr viel Zeit und Arbeit braucht.» Noch einmal möchte er einen Titel gewinnen.

«Es ist egal, ob es ein kleines oder ein grosses Turnier ist. Es geht um das Gefühl der Erfüllung.»

Die Mission ist unheimlich diffizil. Aber wer, wenn nicht Wawrinka, wird sich diesem Kampf annehmen. Er, der den Übernamen «Marathon-Mann» trägt, wird sich dem Wettstreit über die lange Distanz stellen. Im Gegensatz zu Roger Federer brillierte er selten durch Konstanz, Selbstvertrauen, virtuoses, leichtfüssiges Spiel. Er war immer schon der Arbeiter, der Leidensfähige, derjenige, der das Scheitern als Selbstverständlichkeit betrachtet. So hat er sein Credo mit einem Tattoo auf dem Unterarm verewigt: «Immer versucht. Immer gescheitert. Egal. Versuche es wieder. Scheitere wieder. Scheitere besser.»