Wimbledon-Aus für russische Tennisprofis führt zum grossen Knatsch – Djokovic übt heftige Kritik und hält es für «verrückt»
Es war ein Knall mit vielen Nebengeräuschen: Der All England Club, Ausrichter von Wimbledon, bestätigte am Mittwoch, dass beim diesjährigen Rasen-Klassiker russische und weissrussische Spieler ausgeschlossen werden. «Wir sind uns bewusst, dass dies für die betroffenen Einzelsportler eine harte Entscheidung ist», sagte Wimbledon-Boss Ian Hewitt. «Es ist traurig, dass sie unter den Taten der Anführer des russischen Regimes leiden müssen.»
Das prestigeträchtigste und älteste Tennisturnier der Welt begründete den Schritt mit der russischen Invasion in die Ukraine. Aus Sicht des Veranstalters ist es inakzeptabel, dass die Regimes der beiden Ländern Vorteile aus der Teilnahme ihrer Athleten ziehen könnten. Am Ende des Communiqués liess das in einem Stadtteil von London beheimatete Turnier noch einen klitzekleinen Türspalt offen. Sollten sich die Umstände bis zum Turnierstart am 27. Juni «wesentlich» ändern, werde man dies berücksichtigen und entsprechend reagieren.
ATP und WTA mit scharfer Kritik
Ein Entschluss, der bei den beiden Profi-Touren, ATP und der Frauen-Vereinigung WTA, überhaupt nicht gut angekommen ist. Beide kritisierten das dritte Grand-Slam-Turnier des Jahres scharf. Die Entscheidung sei «unfair» und könne «einen schädlichen Präzedenzfall schaffen», teilte die ATP mit. «Diskriminierung aufgrund der Nationalität stellt auch einen Verstoss gegen unsere Vereinbarung mit Wimbledon dar.»
Die Teilnahmeberechtigten seien aufgrund der Weltrangliste zu eruieren und nicht ihrer Herkunft. Wenig später bliess die WTA ins gleiche Horn und zeigte sich «sehr enttäuscht» über die Ankündigung. Ein grundlegendes Prinzip sei verletzt worden. Beide Profiorganisationen betonten, dass sie kriegerische Handlungen «aufs Schärfste» verurteilen. Man wolle nun die bewerten, welche Massnahmen in Bezug auf den Entscheid von Wimbledon ergriffen werden könne.
Machtdemonstration von Wimbledon
Der Knatsch zwischen den Wimbledon-Organisatoren und den beiden Profi-Organisationen ist damit perfekt. Bisher durften die Spieler aus Russland und Weissrussland unter neutraler Flagge an den von ATP- und WTA- organisierten Turnieren teilnehmen. Nur der internationale Tennisverband ITF hatte am 1. März die beiden Tennisverbänden von den Teamwettbewerben ausgeschlossen. Davon betroffen waren der Davis Cup bei den Männern und den Billie Jean King Cup bei den Frauen.
Alle vier Grand-Slam-Turniere sind unabhängig und dürfen ihre eigenen Regeln aufstellen. Davon macht nun Wimbledon Gebrauch, nützt die Machtposition und stösst damit die WTA und ATP vor den Kopf. Die French Open (22. Mai – 5. Juni), die noch vor Wimbledon stattfindet, sieht von solchen Sanktionen ab.
Djokovic findet es «verrückt», Switolina begrüsst Entscheidung
Auch der Weltranglisten-Erste Novak Djokovic kann den Beschluss vom All England Club nicht nachvollziehen. Im Rahmen des Heim-Turniers in Belgrad fand der 34-jährige Serbe klare Worte: «Ich halte das für verrückt. Wenn sich Politik mit Sport vermischt, gibt es kein gutes Ergebnis. Ich werde immer gegen Krieg sein, ich selbst bin ein Kind des Krieges», so der 20-fache Grand-Slam-Champion.
Begrüsst wurde die Weisung von der ukrainischen Tennis-Spielerin Elina Switolina (WTA 25). Ihrer Meinung nach hätten sich die Athleten aus den betroffenen Ländern nur zurückhaltend geäussert. «In Krisenzeiten bedeutet Stille, einverstanden zu sein mit dem, was gerade passiert. Es kommt die Zeit, in welcher Stille Verrat bedeutet. Und diese Zeit ist jetzt», so die 27-Jährige.
Vom Ausschluss sind auch namhafte Spieler betroffen. Gleich vier russische Spieler sind unter den besten 30 klassiert. Darunter US-Open-Sieger Daniil Medwedew (ATP 2), der in diesem Jahr kurz die Spitzenposition der Weltrangliste inne hatte, oder Andrej Rublew (ATP 8). Bei den Frauen sind fünf Spielerinnen aus den beiden Ländern unter den Top 30 rangiert. Aryna Sabalenka (WTA 4) ist beste Weissrussin, Anastassija Pawljutschenkowa (WTA 15) aktuell die beste Russin. Sowohl Rublew als auch Pawljutschenkowa hatten sich mit Botschaften klar von ihrer Regierung distanziert. Der Zutritt auf den «heiligen Rasen» in Wimbledon bleibt ihnen dennoch verwehrt.