Massentierhaltung: Bauernlobby lässt Muskeln spielen – zum Ärger von Berset
Die Massentierhaltungsinitiative hat einen schweren Stand. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat das Volksbegehren abgelehnt, das die Massentierhaltung verbieten will. Der Entscheid fiel am Mittwoch mit 32 zu 8 Stimmen deutlich aus. Mehr schmerzen dürfte Befürworter indes, dass auch der direkte Gegenvorschlag, mit dem der Bundesrat den Initianten die Hand reichen wollte, Schiffbruch erlitt: Der Ständerat trat mit 30 zu 14 Stimmen gar nicht erst darauf ein.
Damit ist der Gegenvorschlag vom Tisch. Darin wollte der Bundesrat gewisse Forderungen des Volksbegehrens aufnehmen. Vorgesehen wären Kriterien für eine tierfreundliche Unterbringung und Pflege, für regelmässigen Auslauf und eine schonende Schlachtung. Kriterien sollte es zum Tierwohl für alle Arten geben – und nicht bloss für Tiere in der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Dagegen verzichtete die Landesregierung darauf, die Grösse von Tierhaltungen zu beschränken.
Bauernlobby zeigt sich kompromisslos
Widerstand kam vor allem von bürgerlicher Seite. Sie monierte, dass sich der Gegenentwurf auf die Rindviehhalterinnen und -halter konzentriere. Auch würde er die Ammoniakemissionen nicht reduzieren, betonte Peter Hegglin (Die Mitte/ZG) im Namen der Kommission.
Die Gegner sahen generell keinen Handlungsbedarf. Sie beriefen sich dabei darauf, dass die Schweiz bereits heute das strengste Tierschutzgesetz der Welt habe. «Heute ist der Standard in der einheimischen Tierhaltung auf einem Niveau, das weltweit seinesgleichen sucht», frohlockte Werner Salzmann (SVP/BE).
Ins Feld geführt wurden auch die möglichen negativen Folgen für Konsumenten. Bei Annahme der Initiative würden sich die Lebensmittel verteuern. Jährlich werde jedes Portemonnaie zusätzlich mit 1800 Franken belastet, rechnete Salzmann vor. Dadurch würde auch der Einkaufstourismus angekurbelt.
Unterstützung auch der Kantone
Das Anliegen der Volksinitiative stiess nur bei der Ratslinken auf offene Ohren. Sie plädierte dafür, Tiere nicht als Ware, sondern als Lebewesen zu sehen. Die Konsumenten würden getäuscht von der «heilen Welt einer familiären und naturnahen Landwirtschaft», betonte Adèle Thorens Goumaz (Grüne/VD). Die Realität sei jedoch eine andere. Die meisten Schweine würden in ihrem Leben nie die Sonne sehen. Roberto Zanetti (SP/SO) verwies auf ein kürzlich erschiene Studie der Universität Bern, die ihn erschüttert habe: Diese zeigte, dass 97 Prozent der Legehennen gebrochene Brustbeine hätten.
Zanetti brach eine Lanze für den Gegenvorschlag. Der Bundesrat habe erkannt, dass beim Tierwohl Defizite bestünden. Anders als die Initiative präsentiere er eine «schlanke» Variante. Der Plan sei «ausgewogen», «umsichtig» und falle für die Produzenten «verträglich» aus. Zanetti rief in Erinnerung, dass sich in der Vernehmlassung 15 Kantone «vorbehaltlos» hinter den Gegenvorschlag gestellt hätten.
Berset spricht Klartext
Gesundheitsminister Alain Berset zeigte sich sichtlich irritiert über die Debatte im Ständerat. «Ich kann ihre Haltung nicht verstehen», sagte er. Er habe nicht den Eindruck, dass der Rat eine gründliche Diskussion geführt habe. Statt sich differenziert mit dem Gegenvorschlag auseinanderzusetzen, dominiere eine grundsätzliche Ablehnung.
Aus Sicht von Berset könnte das zum Bumerang werden. Bei einer Annahme werde es schwierig, das Begehren umzusetzen. In den Knochen stecken dürfte Berset noch, dass das Stimmvolk in den letzten Monaten gleich zwei Volksbegehren zugestimmt hat – im November der Pflegeinitiative und Anfang Februar der Initiative für ein Tabak-Werbeverbot für Minderjährige. In beiden Fällen verzichtete das Parlament auf einen direkten Gegenvorschlag.