Massentierhaltung: Bauernlobby versenkt Kompromiss
Die Massentierhaltungsinitiative hat einen schweren Stand. Neben dem Bundesrat lehnt auch der Nationalrat das Volksbegehren ab, das die Massentierhaltung verbieten will. Der Entscheid fiel am Mittwoch mit 111 zu 60 Stimmen bei 19 Enthaltungen deutlich aus. Allerdings erlitt auch der direkte Gegenvorschlag, mit dem der Bundesrat den Initianten die Hand reichen wollte, Schiffbruch: Der Nationalrat trat mit 107 zu 81 Stimmen gar nicht erst auf die Vorlage ein.
Der Bundesrat nimmt in seinem Vorschlag gewisse Forderungen der Initianten auf. Er schlägt gar vor, Kriterien zum Tierwohl für alle Arten in die Verfassung zu schreiben – und nicht bloss für Tiere in der landwirtschaftlichen Tierhaltung, wie das die Initianten vorsehen. Nun muss sich der Ständerat mit der Initiative und dem direkten Gegenvorschlag befassen.
Bauernlobby zeigt sich kompromisslos
Widerstand gab es vor allem von bürgerlicher Seite. Sie kritisierte, dass sich der Gegenentwurf auf die Rindviehhalterinnen und -halter konzentriere. Auch würde er die Ammoniakemissionen nicht reduzieren. Die Gegner riefen mehrmals in Erinnerung, dass die Schweiz bereits heute das strengste Tierschutzgesetz der Welt habe. Sie bezeichneten den Gegenvorschlag als «unbrauchbar» und «unnötig» und glauben, dass er die Lebensmittel verteuern würde. Für Bauernverbandspräsident Markus Ritter (Die Mitte/SG) war klar: «Der Gegenvorschlag ist für viele Betriebe kaum umsetzbar.»
Auch lehnte die grosse Kammer einen Antrag der Grünen, SP und GLP mit 106 zu 81 Stimmen ab, die via Rückweisung an die Kommission einen indirekten Gegenentwurf zur Initiative auf Gesetzesstufe ausarbeiten wollten. Dieser wäre schwächer ausgefallen als der bundesrätliche Vorschlag, erklärte Kilian Baumann (Grüne/BE).
Dafür hatte die Mehrheit kein Gehör. Ihre Gründe: die knappen zeitlichen Fristen und mangelnder Handlungsbedarf. Trotz dieser kompromisslosen Haltung wollten sich die Gegner keine mangelnde Tierliebe vorwerfen lassen.
Entsprechend frustriert war etwa Jürg Grossen (GLP/BE). «Wir debattieren hier nur für die Galerie», sagte er gleich zu Beginn der zweitägigen Debatte. «Die Landwirtschaft hat ihre Reihen bereits geschlossen.» Argumentiert werde wie immer mit höheren Preisen oder der Schwächung des Wirtschaftsstandorts Schweiz. «Die Veränderungsbereitschaft tendiert Richtung Null.»
Nationalrat lehnt Initiative ab
Die Anliegen der Volksinitiative stiessen nur bei den Grünen sowie Teilen von SP und GLP auf offene Ohren. Sie argumentierten vergeblich dafür, dass Tiere nicht als Ware, sondern als Lebewesen angesehen werden sollen. Bastien Girod (Grüne/ZH) forderte für die Tiere ein Leben vor «dem Schnitzel oder Zürcher Geschnetzeltem». Für ihn ist klar: «Was hier verlangt wird, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.»
Doch auch hier berief sich die Mehrheit auf das Schweizer Tierschutzgesetz, das weltweit heute das strengste sei – insbesondere was die tiefen Tierhöchstbestände pro Betriebe anbelangt. «Es braucht daher keine zusätzliche Verfassungsgrundlage», sagte Beat Walti (FDP/ZH). Zudem setze die Initiative auf Importe. «Wir wollen aber hier produzieren», sagte Marcel Dettling (SVP/SZ). Mitinitiantin Meret Schneider (Grüne/ZH) konterte, man solle nicht beim Status quo bleiben, sondern sich weiterentwickeln.
Schweiz steht hitziger Abstimmungskampf bevor
Die Debatte im Nationalrat zeigte, wie vergiftet das Klima bereits wieder ist. So beklagte sich etwa Jacques Nicolet (SVP/VD) über die «verächtlichen und beleidigenden Äusserungen» gegen die Landwirte in der Debatte. Alois Huber (SVP/AG) kam in der Diskussion «die Würde des Bauern» zu kurz und Manuel Strupler (SVP/TG) befürchtet, die Initianten wollten der Bevölkerung vorschreiben, was sie künftig noch essen darf.
Der Schweiz dürfte damit erneut ein emotionaler Abstimmungskampf bevorstehen – analog zum Sommer, als es um die Pestizid- und Trinkwasser-Initiative ging.