Das sind die Aargauer Aufsteiger und Absteiger 2023
Aufsteigerin Politik: Marianne Binder, Ständerätin
Sie hat einen Coup gelandet, den im Sommer noch die wenigsten für möglich gehalten haben: Die Mitte-Nationalrätin aus Baden hat der SVP den Ständeratssitz abgeluchst. Dabei sah nach dem ersten Wahlgang am 22. Oktober alles nach einem Sieg für Benjamin Giezendanner aus, zu gross schien sein Vorsprung. Doch der Wille der Linksparteien, eine rechtsbürgerliche Doppelvertretung im Ständerat zu verhindern, war stärker, als sich selber zu profilieren. Und so setzen sie alles auf Binder. Deren Sieg gehört deshalb auch ein bisschen den Wählerinnen und Wählern von Rot-Grün. (roc)
Absteigerin Politik: Lilian Studer, alt Nationalrätin
Sein oder Nichtsein liegen bei der EVP Aargau in Sachen Nationalrat stets eng beieinander. Mal reicht es für einen Sitz, mal knapp wieder nicht. Erfolg oder Misserfolg sind stets auch mit dem Namen Studer verbunden. 1999 schaffte Vater Heiner Studer den Sprung in den Nationalrat, 2007 wurde er abgewählt. 2019 holte Tochter Lilian Studer den Sitz zurück (auf Kosten der BDP), jetzt verlor sie ihn wieder (zugunsten der SVP). Eigentlich bräuchte es mehr Brückenbauerinnen wie sie in der Politik. Vielleicht schafft es die Wertepartei ja in vier Jahren wieder, genügend treue Seelen hinter sich zu scharen. (roc)
Aufsteiger Wirtschaft: Markus Blocher, Eigentümer und Chef Dottikon ES
Spätestens dieses Jahr ist Markus Blocher definitiv aus dem Schatten seiner Schwester Magdalena Martullo-Blocher getreten. Er steigerte nicht nur den Umsatz seiner Dottikon ES um 14 Prozent, er schafft auch 200 Arbeitsplätze und investiert 700 Millionen Franken in neue Anlagen und Infrastruktur an seinem einzigen Standort im Freiamt. Der Eigentümer und Geschäftsführer des Pharmaunternehmens baut 2024 zudem ein Notstromaggregatsgebäude auf seinem Areal. Damit will er Energie für den Eigengebrauch der Unternehmen produzieren, damit in Krisensituationen mehr Strom im Netz für die Haushalte übrig bleibt. (roc)
Absteiger Wirtschaft: Rob Versloot, CEO Hero
Es war nur noch eine Frage der Zeit und für Beobachter der über 130-jährigen Hero-Firmengeschichte kein grosser Knall mehr. Trotzdem bedeutet die im Oktober beschlossene Schliessung der Konfitürenfabrik in Lenzburg eine Zäsur. Betriebswirtschaftlich hat CEO Rob Versloot wahrscheinlich alles richtig gemacht mit der Entlassung von 48 Angestellten. Aber auch er sprach von einem «traurigen Tag». Deshalb gehört der Holländer aus Aargauer Sicht zu den Absteigern des Jahres. Immerhin: Das Hero-Headquarter mit 170 Mitarbeitenden bleibt bis auf weiteres in Lenzburg. (roc)
Aufsteigerin Gesundheit/Soziales: Gabriela Petrovic, Fachfrau Gesundheit
Müsste man eine Bilderbuch-Pflegerin zeichnen, sie sähe aus wie Gabriela Petrovic. Die 19-Jährige beendete diesen Sommer die Lehre an der Reha in Rheinfelden und gewann an den Swiss Skills im September die Goldmedaille im Beruf Fachfrau Gesundheit. Petrovic trotzt all den Schattenseiten des Berufs: unregelmässige Arbeitszeiten, ungeduldige Angehörige, schwierige Patienten. Dennoch findet sie ihren Job toll. Die Auszeichnung Aufsteigerin des Jahres bekommt Petrovic stellvertretend für alle, die in der Pflegebranche arbeiten und mehr verdient haben als nur zwischenzeitlichen Applaus wie in der Pandemie. (roc)
Absteiger Gesundheit/Soziales: Anton Schmid, KSA-CEO
Er kam in stürmischen Zeiten und ging bald wieder in stürmischen Zeiten. Anton Schmid wurde noch vom alten Verwaltungsrat im März 2022 vom Spital Emmental geholt und als CEO am Kantonsspital Aarau eingesetzt. Doch die Luft wurde für Schmid dünn, als Daniel Lüscher diesen Sommer neuer KSA-Verwaltungsratspräsident wurde. Dieser sah in Schmid eher einen Schönwetterkapitän und traute ihm nicht zu, das Ruder beim in finanzielle Schieflage geratenen Tanker herumzureissen. So musste Schmid diesen November den Hut nehmen. Lüscher sucht nun eine Person, die auch unangenehme Entscheide fällen kann. (roc)
Aufsteiger Gastronomie: Stefan Konutgan, Restaurant Manito Baden
Stefan Konutgan hat im Alter von 24 Jahren mit seinem Cousin Gorgis das «Manito» eröffnet. In den letzten sechs Jahren hat sich das Konzept bewährt, die Stammkundschaft ist angewachsen, und in diesem Jahr gewann das «Manito» den AZ-Burgertest. Der Erfolg des Restaurants zeigt sich aber insbesondere an den Expansionsplänen: Mit Franchising-Partnern, die er momentan sucht, möchte Konutgan Filialen in Aarau, Winterthur und Wohlen eröffnen. In einem ersten Schritt wird man sich auf Aarau konzentrieren – leider ist der passende Standort noch nicht gefunden. (kob)
Absteiger Gastronomie: Robin Deb Jensen, «Jensen’s Food Lab»
Der Wettinger Gastrounternehmer Robin Deb Jensen musste Anfang Jahr alle Restaurants seiner Geissepeter Gruppe schliessen, darunter auch die Filialen von «Jensen’s Food Lab» in Baden und Untersiggenthal sowie das Restaurant Müli in Mülligen. Zudem warfen ihm Angestellte vor, er habe mit der Schliessung zu lange gewartet, und sie hätten von ihm noch Lohn zugute. Im Oktober erklärte dann ein ehemaliger Restaurantleiter gegenüber der AZ, dass Jensen auch Lieferanten noch Geld schulde. (kob)
Aufsteiger Sport: Joel Mall, Fussballer
Der Fussballgoalie hat ein unglaubliches Jahr hinter sich. Der ehemalige Schlussmann des FC Aarau fand im Hinblick auf die neue Saison bei Servette Genf Unterschlupf und stand dort plötzlich als Nummer eins im Tor. Noch besser: Er erhielt als langjähriger Zypern-Legionär die zypriotische Staatsbürgerschaft, lief für die Nationalmannschaft auf und durfte sich unter anderem gegen Norwegen mit Superstar Erling Haaland beweisen. (chm)
Absteiger Sport: Raimondo Ponte, Trainerikone
Diese Verpflichtung sorgte für Aufsehen: Das Frauen-Fussballteam Red Boots Aarau nahm im Sommer Trainerlegende Raimondo Ponte unter Vertrag und erhoffte sich damit neue Impulse. Das Experiment scheiterte nach wenigen Spielen krachend. Ponte dankte freiwillig ab. Wenig später trat er ebenfalls als Präsident des FC Windisch zurück. Auch dort hinterliess er zahlreiche Baustellen. (chm)
Aufsteiger Kultur: Sebastian Bohren, Geigenspieler
Dieser Geiger findet neue Wege für die klassische Musik im Kanton: In Brugg initiierte Sebastian Bohren in diesem Jahr das Brugg Festival, für das er erstklassige Musikerinnen und Musiker in den Aargau holte. Mit seinem Verein Stretta Concerts veranstaltete er Konzerte, die trotz der grossen Festivalkonkurrenz in der Umgebung einen beachtlichen Publikumserfolg feierten. «Geniessen Sie den Zauber des Anfangs», schreibt der engagierte Musiker über die Erstausgabe des Brugg Festivals – und das taten wir auch. (nla)
Absteiger Kultur: Andreas Fleck, ehemaliger Künstlerischer Leiter Künstlerhaus Boswil
Das Jahr begann in Boswil mit Getöse statt der gewohnt sanften Klänge. Für den Paukenschlag im Künstlerhaus sorgte ein Cellist, der Künstlerische Leiter Andreas Fleck. Er gründete den «Boswiler Sommer», ein Festival, das Publikum, Kritiker und Musikerinnen begeistert. Nach seinem überraschenden Abgang Ende Januar und manch erbostem Facebook-Kommentar gab es 2023 kein Sommerfestival. Stattdessen wurde Jubiläum gefeiert, ohne Fleck, dafür mit neuer Strategie und dem designierten Leitungs-Duo Julia Fischer und Benjamin Nyffenegger. (ray)