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«Habe mich noch nie so gut gefühlt»: Wie das Team um Tadej Pogacar Angst und Schrecken verbreitet

Tadej Pogacar kann bei der Tour de France auf Helfer zählen, die selber um den Gesamtsieg fahren könnten. Das sorgt bei seiner Equipe nur deshalb nicht für Unmut, weil alle profitieren, wenn der Slowene gewinnt – vor allem finanziell.

Wer wissen will, wie sich die Radgiganten beim Team UAE das Drehbuch bei der Tour de France (ab dem 29. Juni) vorstellen, erhielt bei der Tour de Suisse einen Vorgeschmack. Bei den vier letzten von acht Etappen gewann zwei Mal João Almeida vor Adam Yates, zwei Mal Yates vor Almeida. Auch im Gesamtklassement belegten die beiden die ersten beiden Ränge.

Yates wurde im letzten Jahr bei der Tour de France Dritter, Almeida stand beim Giro d’Italia als Dritter auf dem Podest. In fast jedem anderen Team wären die beiden Captains und würden zwischen Florenz, wo die Tour de France startet, und Nizza, wo sie einmalig endet, um den Sieg fahren.

Beim Team aus den Emiraten hingegen sind sie nur Edeldomestiken für Tadej Pogacar, der in dieser Weltauswahl jeden anderen noch überstrahlt.

Bei seinem Team UAE Emirates dreht sich alles um Tadej Pogacar.
Bild: Christophe Petit Tesson/EPA

Vingegaard ohne Helfer Sepp Kuss

Während der lange verletzte Vorjahressieger Jonas Vingegaard aus einer dreimonatigen Pause zurückkehrtund kurz vor dem Start in Florenz mit dem aktuellen Vuelta-Sieger Sepp Kuss (war zuletzt an Covid-19 erkrankt) einen wichtigen Helfer verlor, kann Pogacar aus dem Vollen schöpfen.

Neben Adam Yates werden Almeida und Juan Ayuso Pogacars wichtigste Helfer in den Bergen sein. Der Spanier stand 2022 bei der Vuelta als Dritter auf dem Podest. Im hügeligen Gelände stellen sich der Spanier Marc Soler und der Franzose Pavel Sivakov in den Dienst des zweifachen Tour-de-France-Siegers. Im Flachen protegieren ihn Nils Politt und Tim Wellens.

Pogacar mit seinem Edelhelfer Adam Yates (r.).
Bild: Stephane Mahe/Pool/EPA REUTERS POOL

Wie gut das Team aus den Emiraten besetzt ist, zeigt auch der Umstand, dass Marc Hirschi gar nicht erst im Aufgebot steht. Der 25-jährige Berner mit auslaufendem Vertrag belegt in der Weltrangliste den zehnten Rang.

Kürzlich sagte sogar Pogacar über die Rad-Galaktischen: «Wenn ich unser Team sehe, macht mir das selber fast ein bisschen Angst.» Und nach der Vorbereitung auf die Tour de France sagte er: «Meine Form ist noch besser als beim Giro und besser, als ich es erwartet hätte. Ich habe mich noch nie so gut gefühlt wie jetzt.» Für seine Gegner sind das schlechte Nachrichten.

Zwar haben das Team Visma um Jonas Vingegaard, Ineos Grenadiers um die vormaligen Tour-de-France-Sieger Egan Bernal (2019) aus Kolumbien und den Waliser Geraint Thomas (2017) sowie Carlos Rodriguez und Tom Pidcock, Remco Evenepoel (Soudal-Quickstep) und Primoz Roglic (Bora-Hansgrohe den Gesamtsieg als Ziel ausgerufen, grosse Illusionen macht man sich bei der Konkurrenz von Pogacar allerdings keine.

Zum Formstand von Vorjahressieger Jonas Vingegaard bestehen Fragen.
Bild: Thibault Camus/AP

Attackiert Pogacar schon in Italien?

Die ersten drei Etappen in Italien führen alle über 200 Kilometer, am ersten Tag zwischen Florenz und Rimini müssen knapp 4000 Höhenmeter bewältigt werden. Spätestens im vierten Teilstück, das von Italien nach Frankreich führt und bei dem der Col du Galibier (2642 Meter überquert wird, müssen die Stärksten ihre Karten erstmals auf den Tisch legen.

Geht es nach Marc Madiot, Teamchef bei Groupama-FDJ mit dem Schweizer Stefan Küng, wird Pogacar der Konkurrenz den Wind aus den Segeln nehmen, bevor der Tross Frankreich erreicht. «Er wird das Feld in Stücke reissen und die Tour de France wird nach drei oder vier Tagen entschieden sein», sagte er gegenüber der Sportzeitung «L’Équipe».

Die Tour de France 2024 startet in der italienischen Stadt Florenz.
Bild: zvg

Dass sich bei UAE Emirates alles um Pogacar dreht, sorgt im Team nur deshalb nicht für Unmut, weil der Slowene die Erwartungen immer erfüllt und fast nach Belieben gewinnt. Vor dem Giro d’Italia stand er an zehn Renntagen im Einsatz – die er zu sieben Siegen nutzte, darunter bei den Eintagesrennen Strade Bianche und Lüttich–Bastogne–Lüttich. Seine erste Italien-Rundfahrt gewann der 25-Jährige mit fast zehn Minuten Vorsprung auf den Zweitplatzierten. Sechs Mal sicherte sich Pogacar den Tagessieg.

Pogacar nach dem fünften von am Ende sechs Etappensiegen beim Giro.
Bild: Luca Zennaro/EPA

Pogacars Jahreslohn: 6 Millionen

Was in der eigenen, hochkarätig besetzten Equipe für Ruhe sorgt, löst bei der Konkurrenz Konsternation und bisweilen Missfallen aus. «Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass ich einigen Jungs richtig auf die Nerven gehe. Aber ich fahre nun einmal für das Team, das mich bezahlt, und meine Kollegen, die sich für mich den Hintern aufreissen», sagte Pogacar.

Seine Ausnahmestellung im Peloton manifestiert sich auch am Lohn. Auf 6 Millionen Franken brutto schätzt die «Gazzetta dello Sport» Pogacars Einkommen. Dauerrivale Jonas Vingegaard kommt auf 4 Millionen.

Tadej Pogacar gewinnt in diesem Jahr fast nach Belieben.
Bild: Luca Zennaro/EPA

Für den Radsport, wo ganz wenige viel und ganz viele wenig verdienen, sind das exorbitante Summen. Für diese Saison haben sich die Fahrer und die Interessensvertreter der Teams auf einen Mindestlohn von 34’020 Euro für Jungprofis und 42’047 Euro für alle anderen Professionals verständigt.

Dazu muss man wissen: Gewinnt Pogacar, profitiert das ganze Team – und zwar auch finanziell. 2,3 Millionen Euro Preisgeld schüttet der Veranstalter der Tour de France, die Amaury Sport Organisation, 2024 aus. Gut ein Fünftel davon – nämlich 500’000 Euro – geht an den Gesamtsieger. Geld, das nicht auf dessen Konto landet, sondern in die Mannschaftskasse fliesst.

Marco Pantani (l.) war der letzte Fahrer, der im gleichen Jahr sowohl den Giro d’Italia wie auch die Tour de France gewann.
Bild: Peter Dejong/AP

Nicht zuletzt dürfte sich auch der Emir von Dubai erkenntlich zeigen, sollte Tadej Pogacar als Erster seit Marco Pantani 1998 im gleichen Jahr den Giro d’Italia und die Tour de France gewinnen. Pogacar würde dann zu einem exklusiven Oktett um Pantani, Eddy Merckx (1970, 1972 und 1974), Fausto Coppi (1949 und 1952), Miguel Indurain (1992 und 1993), Bernard Hinault (1982, 1985), Jacques Anquetil (1964) und Stephen Roche (1987) zählen.

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