Trotz freien Impfterminen: Die Kantone halten sich sklavisch an die 6-Monate-Wartefrist für den Booster
Die Schweiz liegt beim Boostern im europäischen Vergleich zurück. Gestern meldete das Bundesamt für Gesundheit, dass knapp 13 Prozent der Bevölkerung eine Auffrischungsimpfung bekommen haben. In Grossbritannien und Österreich liegt der Wert bei über 30, in Deutschland immerhin bei knapp 24 Prozent.
Der Rückstand hat verschiedene Gründe. Zum einen hat es in der Schweiz länger gedauert, bis die Eidgenössische Impfkommission (Ekif) den Booster für die unter 65-Jährigen empfohlen hat. Zum andern gilt in der Schweiz die Empfehlung, dass zwischen der zweiten Impfung und dem Booster sechs Monate liegen müssen. Andere Länder sind da weniger strikt. Österreich lässt die dritte Impfung nach vier Monaten zu, Frankreich nach fünf. Und in Grossbritannien sind es gar nur drei Monate. Der Britische Premier Boris Johnson gab das vollmundige Versprechen ab, dass bis Ende Jahr jeder vollständig geimpfte Erwachsene bis zum Jahreswechsel einen Booster-Termin erhalten soll.
Unter sechs Monaten nur als Off-Label-Impfung
In der Schweiz halten sich die Kantone, die fürs Impfen zuständig sind, fast schon sklavisch an die Wartefrist von sechs Monaten, selbst dann, wenn sie genügend Impf-Kapazitäten haben. Symbol für die «Booster-Blamage» (NZZ) ist das Zürcher Impftram, wo lange auch Menschen geboostert wurden, deren Zweitimpfung noch nicht sechs Monate zurück lag. Wegen des grossen Ansturms untersagte die Zürcher Gesundheitsdirektion später diese Praxis.
Gestern sagte Lukas Engelberger, Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren vor den Medien, dass es mit dem Boostern auch deshalb nicht schneller vorwärtsgehe, weil die Bereitschaft der Leute fehle, sich anzumelden. Eine Verkürzung der Wartefrist von sechs Monaten, damit sich Leute gerade auch mit Blick auf Weihnachten zum dritten Mal impfen lassen können, ist für den Basler Gesundheitsdirektor dennoch keine Option: «Wir befolgen in den Kantonen die Empfehlungen der Ekif. Im Einzelfall ist auf Verantwortung der jeweiligen Ärztin ein früherer Booster off-label möglich.»
Kein Druck für früheres Boostern
In mehreren Kantonen werden die Impfkapazitäten nicht ausgeschöpft. So auch im Kanton Zug, wie Kantonsarzt Rudolf Hauri sagt. Und auch dort ist die Verkürzung der Wartefrist kein Thema, man halte sich an die Ekif-Vorgaben. Zudem: «Wir spüren keinen Druck, die Wartefrist von sechs Monaten zu verkürzen. Es sind nur einzelne Personen, die sich vorzeitig boostern lassen wollen», so Hauri. Ihm ist sehr wohl bewusst, dass das Ausland früher boostert: «Wenn man schneller boostert, muss das für die Bekämpfung der Pandemie einen Gewinn bringen. Es darf kein politischer Entscheid sein.»
Allerdings formuliert Hauri auch eine klare Erwartung an die Ekif: «Ich erwarte von der Ekif, dass sie die Lage immer wieder neu beurteilt. Es ist durchaus denkbar, dass sie aufgrund von neuen Datenanalysen zum Schluss kommen wird, dass eine Verkürzung der Wartefrist Sinn macht.»
Tatsächlich gehen Beobachter davon aus, dass die Sechs-Monate-Frist wegen Omikron auch in der Schweiz ins Wanken kommen könnte. Patrick Mathys, Leiter der Sektion Krisenbewältigung beim Bundesamt für Gesundheit sagte am letzten Freitag, dass der Schutz bis sechs Monate gut sei, vor allem auch bei den jüngeren Altersgruppen: «Ob es allenfalls zu einer Verkürzung kommt, auch vor dem Hintergrund der Entwicklung der Situation, ist offen.»
3,3 Millionen können sich bis Ende Jahr boostern lassen
Derweil mahnte am Montag Gesundheitsminister Alain Berset die Kantone, das Booster-Tempo zu beschleunigen: «Die gesamte Energie muss ins Boostern gehen. Omikron könnte schnell dominant werden», so Berset. Er verband den Aufruf mit einer Zahl: Heute werden täglich 50’000 Impfungen verabreicht, es müssten aber 100’000 sein. So viel, wie während des Höhepunkts der Impfkampagne im letzten Sommer. Bis Ende Jahr können sich in der Schweiz 3,3 Millionen Menschen boostern lassen. Ihre zweite Impfdosis liegt dann sechs Monate zurück.