Vierfachmord von Rupperswil: Lebenspartner von Carla S. spricht über Verarbeitung und Trauer – nach der Akteneinsicht fiel er «in ein tiefes Loch»
Geschichten über wahre Verbrechen interessieren, ja fesseln, die Leute. «True Crime» ist derzeit in aller Munde. So auch in der SRF-Sendung «Der Club» am Dienstagabend.
Bei Moderatorin Barbara Lüthi war unter anderem Georg Metger zu Gast. Er war der Partner von Carla S., die am Morgen des 21. Dezember 2015 in Rupperswil zusammen mit ihren beiden Söhnen und der Freundin des älteren der beiden Jungen ermordet wurde.
Metger über die Fahrt zum Tatort: «Da ist mir halb schlecht geworden»
Gleich zu Beginn wird Metger von Moderation Lüthi gefragt, wie es für ihn als Hinterbliebenen gewesen sei, wenn die Menschen ein derartiges Interesse an einem Fall zeigen. Metger antwortet: «Ich kann das ein Stück weit nachvollziehen.» Verbrechen wie jenes in Rupperswil seien solche, die einem bleiben und die man nie vergesse, sagt Metger weiter. «Ich habe Verständnis, dass die Leute wissen wollen, was dahintersteckt, was jemanden antreibt, so etwas zu tun.»
Georg Metger erinnert sich in der Sendung auch zurück an den Tag der Tat. Er sagt, es sei ein Tag wie jeder andere gewesen, bis er um 11.40 Uhr den Anruf seines Schwiegervaters erhalten habe. Er müsse nach Hause kommen, bei ihm brenne es und die Ambulanz sei vor Ort, sagte der Schwiegervater. Während der Autofahrt nach Rupperswil sei ihm noch einmal bewusst geworden, dass der Schwiegervater die Ambulanz erwähnt hatte. «Da ist es mir schon halb schlecht geworden», sagt Metger.
Als er zu Hause ankommt, erschrickt er. Ein riesiges Polizeiaufgebot, Sanitäter, Medienschaffende und Schaulustige stehen da. Nachdem er sich bei Polizisten vorstellt, wird er direkt zur Seite genommen. «Häppchenweise» habe er dann mehr über die Tat erfahren, auch, dass vier Personen im Haus ums Leben gekommen sind. Später verbringt er zwölf Stunden auf dem Polizeikommando. Metger sagt: «Das war einer der schlimmsten Tage meines Lebens. Oder der Beginn davon.»
Die Trauer kam erst später
Anfänglich sei er sehr gefasst und aufnahmefähig gewesen, erzählt Metger. Er habe alles wissen wollen. Zeit, um zu trauern, sei da keine geblieben. Er hätte auch auf Unterstützung des Care Teams zählen können, hatte diese aber abgelehnt. Er dachte, das sei nicht nötig. Die Polizei habe anschliessend dafür gesorgt, dass die Opferhilfe nicht ins Spiel kommt und Einsicht in die Akten hat. Metger sagt: «Wir haben uns gesagt, wir schaffen das schon. Heute muss ich sagen, es wäre gut gewesen, wir hätten Hilfe gehabt.»
Georg Metger hat in der Folge immer alles wissen wollen über die Tat, deren Hergang, auch über den Täter. Es hat sogar eine Gegenüberstellung mit Thomas N. gegeben. Warum? Metger erklärt: «Nur wenn ich weiss, wie alles abgelaufen ist, wie sich jedes Detail dieser Tat zugetragen hat, kann ich das verarbeiten.» Er habe schlaflose Nächte gehabt, als er sich Gedanken dazu gemacht habe, ob seine Liebsten leiden mussten oder ob sie gesehen haben, wie der andere umgebracht worden ist. «In dem Moment, in dem ich gewusst habe, wie alles gewesen ist, war es sehr hart. Aber ich konnte es verarbeiten», sagt Metger in der Sendung.
Vom ersten Tag an klingeln Reporter bei ihm
Ebenfalls in der Sendung war der langjährige Gerichts- und Polizeireporter Viktor Dammann. Der «Blick»-Journalist spricht über seine Vorgehensweise in solchen Fällen und erklärt, dass er nie bei Angehörigen an der Haustüre geklingelt habe, um mit ihnen zu reden. Georg Metger und weitere Angehörige im Fall Rupperswil seien aber geradezu belästigt worden, erklärt der Lebenspartner der ermordeten Carla S. «Vom ersten Tag an haben sie bei uns geklingelt. Egal, ob Weihnachten oder Ostern war.» Journalisten hätten sich eingeschlichen, in den sozialen Medien als Freunde ausgegeben, «nur um Bilder von mir herunterladen zu können», sagt Metger. Er habe rechtliche Massnahmen ergriffen. «Darauf ist man nicht vorbereitet.»
Nach Monaten der Unsicherheit wurde der Täter am 12. Mai 2016 im Starbucks in Aarau gefasst. Moderatorin Barbara Lüthi fragt Georg Metger, was das für ihn bedeutet habe. «Es waren ganz verschiedene Gefühle. Auf der einen Seite war ich froh, dass man es jetzt weiss, auf der anderen Seite hat dort noch einmal etwas ganz Schlimmes begonnen.» Metger erfährt, dass der Täter in seiner Nachbarschaft wohnhaft gewesen ist, dass er den jüngeren der beiden Söhne von Carla S. zu sexuellen Handlungen gezwungen hat. «Da fällt man noch einmal richtig in ein Loch.»
Metger wird genaustens überwacht – und weiss es nicht
Es gibt Fälle, bei denen die Ermittler nicht sicher sind, ob es sich um einen natürlichen Tod oder vielleicht eben doch um ein Gewaltverbrechen handelt. Dadurch kommt es auch immer wieder zu Einvernahmen der Angehörigen – so geschehen auch im Fall Rupperswil bei Georg Metger. Er hatte Verständnis dafür, auch als er seine Fingernägel habe kontrollieren lassen müssen. Zunächst sagt er: «Für mich war das kein Problem und irgendwann hatte ich auch das Gefühl, es müsste klar sein, dass es nicht möglich ist, dass ich etwas mit dem Fall zu tun habe.» Ihm und anderen Angehörigen sei jeweils gesagt worden, dass sie als Auskunftspersonen aussagen und nicht als Tatverdächtige. «Was bei uns nicht ganz gestimmt hat. Aber lassen wir das.»
Moderatorin Lüthi lässt es nicht und schiebt nach, es sei ja eine Strafuntersuchung gegen Metger gelaufen. Er hakt ein und sagt, er wisse nicht, warum es diese Strafuntersuchung gegeben habe. Metger, der im Jahr 2018 ein Buch («Für immer») mit den persönlichen Schilderungen zum ganzen Fall herausgegeben hat, wusste nicht, dass er monatelang minutiös überwacht worden war. Im Buch schrieb er über den Moment, als er erfuhr, dass zum Beispiel jedes SMS kontrolliert worden ist: «Ich bin schockiert. Bin gelähmt, ringe nach Atem.»
Die Erinnerungen an schöne Zeiten
Gibt es so etwas wie Gerechtigkeit für Angehörige? Metger antwortet und nimmt vorweg, dass er nur für sich sprechen könne. «Uns war es wichtig, dass er (der Mörder, Anm. d. Red.) nicht mehr freikommt. Er soll sein Leben lang jeden Tag daran denken müssen, wie gut er es hätte, wenn er jetzt draussen wäre, mit seinen Hunden spazieren könnte. Aber das kann er jetzt alles nicht mehr. Und das ist für uns eine Genugtuung.»
Auch das Schlusswort der Sendung gehört Georg Metger. Er schrieb in seinem Buch, dass sich der letzte Gedanke am Abend und der erste am Morgen um die vier ermordeten Personen drehe. Er wird gefragt, welche schöne Erinnerung ihm heute helfe, mit der Trauer umzugehen. Er antwortet, es gebe viele schöne Erinnerungen: «Heute hat man ja ein Handy. Da ist vieles abgespeichert. Fotos von früheren Reisen und alte Whatsapp-Nachrichten. Die letzten davon lese ich hie und da.» Es katapultiere einen zurück «in eine schöne Zeit, die man gehabt hat».