Ist Betteln in der Schweiz erlaubt? So gehen die Kantone und Städte mit Bettlerinnen und Bettlern um
Eines vorneweg: Es gibt keine schweizweit gültigen Vorschriften für das Betteln. Heisst: Den Umgang mit Bettlerinnen und Bettlern regelt in der Schweiz jeder Kanton, beziehungsweise jede Gemeinde für sich. Entsprechend unterschiedlich fallen die Regeln aus.
In rund der Hälfte der Kantone ist das Betteln generell verboten. Im Kanton Zürich etwa gilt ein grundsätzliches Bettelverbot. Wer sich nicht an das Verbot hält, wird mit Busse bestraft. Ein Verbot kennen beispielsweise auch die Kantone Waadt und Thurgau.
Der Kanton Basel-Stadt duldet Betteln nur in Ausnahmefällen. Verboten ist die «organisierte Bettelei» – und es muss mit einer Busse rechnen, wer «in aufdringlicher und aggressiver Art und Weise» bettelt. Im öffentlichen Raum gilt zudem eine 5-Meter-Regel: Diese verbietet das Betteln innerhalb von fünf Metern um Ein- und Ausgänge von öffentlich zugänglichen Gebäuden wie Bahnhöfen, Museen, Banken oder Bushaltestellen.
Der Kanton Bern hat sein Bettelverbot 1991 aufgehoben. Die Gemeinden können selbst entscheiden, ob sie das Betteln verbieten wollen oder nicht. Im Kantonsrat ist allerdings ein Vorstoss hängig, der das Verbot wieder kantonsweit einführen will. Der Regierungsrat unterstützt die Motion, plädiert allerdings dafür, das Verbot «sachlich und räumlich differenziert» auszugestalten.
Im Kanton St.Gallen ist Betteln in gewissen Gemeinden verboten. Allerdings gibt es in verschiedenen Städten Bestrebungen, das strikte Verbot zu lockern. So hat etwa kürzlich der St.Galler Stadtrat verlauten lassen, dass unterdessen rein passives Betteln nicht mehr strafrechtlich geahndet werde. Allerdings kann noch immer weggewiesen werden, wer durch das Betteln die öffentliche Sicherheit oder Ordnung stört.
Auch im Kanton Luzern gilt im Moment noch ein generelles Bettelverbot. Doch auch hier sind Anpassungen vorgesehen. Derzeit befindet sich ein Vorschlag in der Vernehmlassung. Demnach sollen nur noch bestimmte Arten des Bettelns verboten werden. Der Kanton Luzern orientiert sich dabei an den geltenden Regeln in Basel-Stadt.
Urteil führt zu Praxisänderungen
Die Beispiele zeigen, dass ein grundsätzliches Bettelverbot zuletzt vielerorts unter Druck geriet. Grund dafür ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) aus dem Jahr 2021. Es geht auf eine Beschwerde einer Frau zurück, die in Genf gebettelt hat und deswegen gebüsst wurde. Nachdem die Schweizer Instanzen ihre Beschwerde abgewiesen hatten, gelangte sie an den EGMR in Strassburg.
Dieser befand es für unzulässig und unverhältnismässig, die bettelnde Frau mit einer Busse und – weil sie diese nicht bezahlen konnte – Gefängnis zu bestrafen. Die Schweiz habe das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens verletzt. Schliesslich habe die Frau mit dem Betteln ihre Notlage zum Ausdruck gebracht und so ihr Überleben gesichert.
Das Urteil hat dazu geführt, dass viele Kantone ihren Umgang mit Bettelnden überarbeitet haben – oder noch damit beschäftigt sind. Der Trend geht weg von einem absoluten hin zu einem differenzierten Bettelverbot, das lediglich bestimmte Formen des Bettelns unter Strafe stellt.