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Ein Erdbeben lässt den Aargau im Chaos versinken – bei diesem Szenario spielt selbst die Regierung mit

Der Strom fällt aus, Strassen und Bahnverbindungen sind zerstört, viele Leute obdachlos – das könnte bei einem Erdbeben passieren. Im Aargau übt man derzeit, wie möglichst rasch Ordnung in ein solches Chaos gebracht werden könnte.

Das Erdbeben im Grossraum Arlesheim (BL) erreichte auf der Richterskala eine Stärke von 6,9. Es gab mehrere Nachbeben. Für den Aargau, insbesondere für das untere Fricktal, sind die Folgen gravierend: Stromausfälle, eingestürzte Gebäude, ein Verkehrschaos auf Strassen und Schienen, verschüttete und tote Personen. Als wäre das nicht schlimm genug, hat es im Osten des Kantons stark geregnet, damit ist ein Teil der Kräfte, die bei der Bewältigung der Katastrophe helfen könnten, bereits mit anderen Aufgaben beschäftigt.

Dies ist das Szenario der Übung «Seismo 24», in der der Kantonale Führungsstab (KFS) und Partnerorganisationen derzeit den Ernstfall trainieren. Drei Tage lang, rund um die Uhr, sind die Führungskräfte im Einsatz und stellen sich wichtige Fragen: Wo können Decken und Zelte organisiert werden? Wie gelangen die Rettungskräfte in abgeschnittene Gebiete? Und wie wird sichergestellt, dass alle Personen immer zu ihren Informationen kommen? Unrealistisch ist das nicht: Ein ähnlich heftiges Erdbeben,wie es Basel 1356 erschütterte, könnte sich wiederholen (Richterskala: 6,6).Im Juni war ein Erdbeben in Süddeutschland (Richterskala: 4,2) auch im Aargau spürbar.

Szenario entwickelt sich flexibel weiter

Othmar Flückiger, Stabschef Übungsleitung.
Bild: Raphaezl Dupain

«Das ist herausfordernd, aber so soll es auch sein – wir wollen lernen für die Zukunft», sagt Othmar Flückiger, Stabschef Übungsleitung. Er erklärt den Aufbau der Übung, die in der Liebegg stattfindet: «In der Kommando-Stelle Regie sitzen Mitarbeitende verschiedener Organisationen, etwa der Polizei, den regionalen Führungsorganen oder dem Kantonalen Katastrophen Einsatzelement.» Sie geben Inputs: Da ist ein Fahrzeug kaputtgegangen, dort fehlt es an Nahrungsmitteln. Handelsstränge wurden zwar vorab definiert, das Szenario entwickelt sich aber flexibel weiter, je nachdem, welche Entscheide die Verantwortlichen treffen.

Während die Regie oberirdisch die Übung leitet, überwacht und vorantreibt, haben sich im Bunker diejenigen versammelt, die die fiktiven Probleme lösen und Ordnung ins Chaos bringen sollen. Gearbeitet wird in drei Schichten mit je etwa 30 Frauen und Männern. Philipp Umbricht ist Stv. Chef des Kantonalen Führungsstabs, bekannter ist er in seiner Funktion als leitender Oberstaatsanwalt. «Stabsarbeit ist anders als die Arbeit in einer Verwaltung», erklärt er.

Philipp Umbricht, Stv. Chef des Kantonalen Führungsstabs
Raphaezl Dupain

Solche Übungen seien wichtig, um die Zusammenarbeit zu proben – auch wenn momentan auf der Liebegg viel Führungserfahrung vereint sei. «Wir können erkennen, wenn ein Prozess falsch aufgezogen wurde, aber auch, wenn in einem Bereich die Übung fehlt. Das fliesst dann wiederum in die Weiterbildung», sagt Umbricht.

Regierungsrat tagte an einem geschützten Standort

Eine der wichtigsten Partnerorganisationen bei einer Katastrophe wie einem Erdbeben sei die Polizei, erklärt Martin Hitz, Leiter Abteilung Militär und Bevölkerungsschutz und Chef des Kantonalen Führungsstabs. «Die Polizei ist Augen, Ohren und auch Mund gegen aussen», sagt Hitz. Die Patrouillen seien vor Ort und geben Informationen an den KFS weiter, wurden aber in diesem Szenario beispielsweise auch eingesetzt, weil der Funk- und Telefonkontakt zum regionalen Führungsorgan Unteres Fricktal verloren ging.

Mitarbeiter der Polizei stellen den Informationsaustausch mit dem Polizeikommando sicher.
Bild: Raphaezl Dupain

Deswegen befinden sich in der unterirdischen Anlage auch einige Polizisten, sie würden im Ernstfall den Informationsaustausch mit dem Polizeikommando gewährleisten. Bei so einem Grossereignis wären etwa 300 Angehörige der Kantonspolizei im Einsatz, von den Regionalpolizeien kommen nochmals 120 bis 150 Männer und Frauen hinzu, erklärt der Verantwortliche Peter Kaltenrieder. Der Bundesrat würde entscheiden, ob Kräfte aus weiteren Kantonen oder dem Ausland beigezogen würden. «Für uns ist entscheidend, dass das Tagesgeschäft weiter läuft – Einbrüche, häusliche Gewalt oder andere Delikte hören ja deswegen nicht auf», so Kaltenrieder.

Selbst der Regierungsrat bekommt die dreitägige Übung zu spüren – die Sitzung am Mittwochmorgen fand an einem geschützten Standort statt. Der Übungsleiter hat die Regierungsräte über die Situation informiert und auch entsprechende Anträge eingereicht, über die sie zu entscheiden hätten. Am Mittwochnachmittag fand zudem eine fiktive Medienkonferenz statt. Der KFS hat vorgängig Regierungsrat Jean-Pierre Gallati gebrieft – denn der Sicherheitsdirektor wäre im Katastrophenfall die Ansprechperson.