Flüchtlinge: Kantone unterstützen Aktivierung des Schutzstatus S – fordern aber Geld für Sprachkurse
Über 2,3 Millionen Menschen sind aus der Ukraine geflüchtet. In der Schweiz haben sich bisher 1624 Personen bei den Behörden registriert, wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) meldet. Die Ukrainerinnen und Ukrainer dürfen sich ohne Visum 90 Tage im Schengen-Raum – und damit auch in der Schweiz – aufhalten. Die zentrale Frage ist, was danach geschieht.
Bundesrätin Karin Keller-Sutter hat angekündigt, die Schweiz wolle den Geflüchteten «rasch und unbürokratisch Schutz gewähren». Der Bundesrat will daher den sogenannten Schutzstatus S aktivieren: Geflüchtete erhalten dadurch rasch ein Aufenthaltsrecht, vorerst befristet auf ein Jahr, ohne ein ordentliches Asylverfahren durchlaufen zu müssen. Der definitive Entscheid soll am Freitag fallen.
Der Vorschlag stösst in der Konsultation auf breite Zustimmung, wie die Stellungnahmen aus diversen Kantonen zeigen. Die Geflüchteten erhielten dadurch rasch die Gewissheit, dass ihnen zumindest ein vorübergehender Schutz gewährt werde, heisst es etwa aus dem Thurgau.
Die Frage der Integration
In einem Punkt muss der Bund aus Sicht vieler Kantone aber nachbessern: Sie fordern Geld für Sprachkurse und andere Integrationsmassnahmen. Für Personen, die Asyl erhalten oder vorläufig aufgenommen werden, zahlt der Bund den Kantonen eine einmalige Integrationspauschale von 18’000 Franken. Beim Schutzstatus S ist dies nicht vorgesehen, da die Menschen eigentlich so bald wie möglich in ihre Heimat zurückkehren sollen. Nur: Wann dies der Fall sein wird, ist derzeit völlig offen.
Basel-Stadt hält es daher für «unabdingbar», dass der Bundesrat entweder einen ausserordentlichen Integrationskredit spricht oder pro Flüchtling eine einmalige Integrationspauschale beschliesst. «Kantonen und Gemeinden muss es möglich sein, Sprachkurse, sinnvolle Beschäftigungsprogramme und arbeitsmarktliche Massnahmen für die Betroffenen vorzusehen», heisst es in der Stellungnahme.
Auch Bern, Genf, Thurgau, Zug, Aargau, St.Gallen und weitere Kantone pochen darauf, dass der Bund Geld für Integrationsmassnahmen zahlt. Dies sei im Interesse der geflüchteten Menschen und im Interesse der Schweiz, so der Tenor. St.Gallen fordert, allenfalls solle wenigstens eine reduzierte Pauschale ausbezahlt werden, zum Beispiel 6000 Franken.
Bund zeigt sich offen
Rückendeckung erhalten die Kantone in dieser Frage von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und dem UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Die Flüchtlingshilfe schreibt, vom Zugang zu Integrationsleistungen profitierten nicht nur die Betroffenen, sondern auch Kantone, Städte und Gemeinden. Das UNHCR schreibt in einer Stellungnahme:
«Je früher Integrationsmassnahmen zur Verfügung gestellt werden, desto effektiver wirken diese.»
Das UNO-Hilfswerk schätzt, dass viele der Personen, die aus der Ukraine fliehen, die Flüchtlingsdefinition gemäss Genfer Flüchtlingskonvention erfüllen und möglicherweise längerfristig schutzbedürftig sind.
Auch wenn beim Status S keine Integrationspauschale vorgesehen ist, zeigt man sich beim Bund in dieser Frage offen. Das Staatssekretariat für Migration erklärt, es werde zusammen mit den Kantonen prüfen, ob es «spezifische Unterstützungsmassnahmen» für die Aufgenommenen aus der Ukraine brauche – etwa Sprachkurse oder Jobcoaching. «Es ist dann Sache des Bundesrates, zu entscheiden, ob der Bund allfällige Massnahmen mitfinanziert», so ein Sprecher.
Geflüchtete sollen rasch arbeiten dürfen
Auf Zustimmung stossen in der Konsultation zwei Anpassungen am Status S, mit denen der Bundesrat die Regeln jenen in der EU angleichen will. Geflüchtete sollen erstens im Schengen-Raum reisen können; zweitens sollen sie rasch einer Arbeit nachgehen können. Eigentlich wäre dies beim Schutzstatus S erst nach drei Monaten vorgesehen. Der Bundesrat will diese Frist nun aber verkürzen oder gar ganz weglassen.
Die Kantone unterstützen dies. «Damit kann der Zielsetzung einer möglichst schnellen finanziellen Unabhängigkeit am ehesten entsprochen werden», heisst es etwa aus St.Gallen. Verschiedene Kantone warnen jedoch vor übertriebenen Erwartungen: Viele Geflüchtete müssten Kinder betreuen oder zuerst einige drängendere Probleme lösen – zum Beispiel sprachliche Hürden überwinden, sich in der Schweiz organisieren. Und die Erlebnisse in ihrem Heimatland erst einmal verarbeiten.