Haben Sie’s gemerkt? Die russische Propaganda wirkt – auch in der Schweiz
Die Ukraine ist am Verlieren, wozu soll der Westen da noch Waffen liefern oder Finanzhilfe leisten? Die Schweiz überschätzt ihre Rolle als Vermittlerin, wozu da eine Konferenz durchführen? Und sowieso: Eigentlich hat der Westen doch dazu beitragen, dass der Krieg überhaupt ausbrach!
Solche Aussagen konnte man in den letzten Wochen lesen. Sie stammen von neunmalklugen «Experten», die kommentieren, was an den Frontlinien des Kriegs und der Politik angeblich geschieht.
Unsere Zeitung beschäftigt einen Kriegsreporter. Kurt Pelda berichtet im Podcast «Hinter der Schlagzeile» (auf unserer Website, auf Spotify etc.) aktuell aus Charkiw, der zweitgrössten Stadt der Ukraine.
Wenn man soziale Medien und auch gewisse «Tagesschau»-Beiträge zum Nennwert nimmt, ist diese Metropole praktisch gefallen. Pelda erlebt die Stadt ganz anders: Der Alltag nimmt seinen Lauf, Menschen flanieren auf den Strassen, auch wenn viele Angst haben. Für eine Einnahme Charkiws fehlt es den Russen an Soldaten und Material. Der Versuch einer neuen Offensive im Norden Charkiws sei «grandios gescheitert», sagt der erfahrene Journalist, der früher aus den Kriegsgebieten in Afghanistan und Syrien berichtet hat.
Als Nutzerinnen und Nutzer von Medien, insbesondere sozialen Medien, sollten wir aufpassen, nicht selber der Propaganda der Russen zu erliegen. Wir schütteln den Kopf über die absurde Desinformation, mit der Putins Informationskrieger in ihrem eigenen Land unsere Bundespräsidentin Viola Amherd diffamieren. Aber sind wir uns bewusst, dass das Narrativ der absehbaren ukrainischen Niederlage aus derselben Propagandaküche kommt – mundgerecht zubereitet für westliche Konsumenten?
In einer Demokratie darf man alles sagen und schreiben. Ja, die Ukraine befindet sich in einer schwierigen Lage. Aber dass sie verloren ist, sollten wir als Propagandamärchen erkennen. Zumal das Land viel zu gross ist, um von den Russen unter Kontrolle gebracht zu werden.
Somit erübrigt sich auch die Frage, ob es sich überhaupt lohnt, auf dem Bürgenstock über Frieden zu reden. Was kann daran falsch sein? Die Schweiz tut etwas. Geben wir ihrem diplomatischen Effort eine Chance!