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Elcom-Präsident: Bei Totalausfall von russischem Gas bräuchte es Rationierungen

Die Abhängigkeit von russischem Gas in Europa kann für die Schweiz negative Konsequenzen haben, so Werner Luginbühl, Präsident der eidgenössischen Elektrizitätskommission (Elcom). Ob es Probleme gibt, hänge insbesondere auch von unseren Nachbarländern ab.

Aktuell sei die Versorgung mit russischem Gas sichergestellt und die Speicher in Europa normal gefüllt, sagt Werner Luginbühl im Interview mit der «NZZ». Bei einem Lieferstopp kann sich die Situation laut dem Präsidenten der Aufsichtsbehörde Elcom jedoch schnell ändern, auch wenn die EU alles daran setzen werde, die Versorgung sicherzustellen. «Weil russisches Gas kurzfristig nicht vollständig ersetzt werden kann, könnte der Ukraine-Krieg auch Auswirkungen auf die Stromversorgung in der Schweiz haben.»

Im Normalfall könne die Schweiz im nächsten Winter aus Deutschland und Frankreich wie gewohnt Strom importieren. Bei Gasknappheit und geringer Verfügbarkeit von Produktionskapazitäten in den beiden Ländern könne es jedoch kritisch werden. «Ein Totalausfall von russischem Gas wäre der schlimmste Fall», so Luginbühl. «Es ginge nicht ohne Rationierungen.» Liefere Russland noch einen Teil der vereinbarten Gasmengen, liesse sich das russische Erdgas wohl durch Flüssigerdgas ersetzen.

Ausbau der Erneuerbaren: Elcom will Anpassungen beim Naturschutz

Die Schweiz könne nur hoffen, dass es der EU gelingt, genügend Gas zu beschaffen. «Wenn Europa das Problem löst, wird die Schweiz als kleine Konsumentin mitprofitieren.» Daneben werde die Stromversorgung der Schweiz von der Verfügbarkeit der AKW in Frankreich und der Erneuerbaren in Deutschland abhängen. «Diese Abhängigkeiten zeigen, wie wichtig es ist, dass der Bundesrat bereits für den nächsten Winter die geplante Wasserkraft-Reserve umsetzt», so Luginbühl.

Auch bei den erneuerbaren Energien muss die Schweiz den Ausbau beschleunigen. Energieministerin Simonetta Sommaruga will dies unter anderem mit strafferen Bewilligungsverfahren erreichen. Diese Vorlage sei dringend nötig, so Luginbühl. Er äussert aber auch Zweifel daran, dass diese allein zum Ziel führen wird. «Wir glauben, dass auch inhaltliche Anpassungen am Natur- und Landschaftsschutz diskutiert werden müssten.» Sonst bestehe das Risiko, dass sich viele Projekte nicht realisieren liessen.

So brauche es künftig auch in Biotopen – wo der Bau von Energieanlagen heute verboten ist – «eine Interessenabwägung zwischen den Schutz- und den Nutzinteressen», so der Elcom-Präsident. Als Beispiel nennt er die geplante Erhöhung der Grimsel-Staumauer. «Der See kann nicht vergrössert werden, weil das Vorfeld, das der schmelzende Gletscher freigibt, nachträglich als Biotop geschützt werden soll.» Beim Erlass des Verbots im Jahr 2015 sei damals zu wenig bewusst geworden, wie weitreichend es sei. (agl)