Putin beim Dreier-Gipfel in Teheran: Warum der Kremlchef heute in den Iran reist
Der russische Präsident, der iranische Hardliner und der Chef des Nato-Staates Türkei an einem Tisch: In der iranischen Hauptstadt Teheran findet an diesem Dienstag ein ungewöhnlicher Dreier-Gipfel statt.
Wladimir Putin, Ebrahim Raisi und Recep Tayyip Erdogan wollen bei ihrer Begegnung im so genannten Astana-Format und in Einzeltreffen am Rande des Gipfels über den Ukraine-Krieg und den Syrien-Konflikt sprechen. Ihre Länder verfolgen teilweise gegensätzliche Interessen – gemeinsam ist den drei aber ihr Misstrauen gegenüber dem Westen. Ein Überblick.
Putin und Erdogan arbeiten bereits seit Jahren eng zusammen und sind Mitbegründer der russisch-türkisch-iranischen Gipfelgespräche. Die beiden Präsidenten haben im Laufe der Zeit ein Vertrauensverhältnis entwickelt, das es ihnen erlaubt, auch schwere Meinungsverschiedenheiten zu überwinden. Neu im Trio ist der im vergangenen Jahr ins Amt gekommene Raisi, für den der Gipfel in Teheran der erste seiner Art ist.
Ukraine
Putin verlässt für den Gipfel zum ersten Mal seit Beginn des Ukraine-Krieges das Gebiet der früheren Sowjetunion; im vorigen Monat hatte er bei seiner ersten Auslandsreise seit Februar an einem regionalen Treffen in Turkmenistan teilgenommen und dabei auch Raisi getroffen. Für den russischen Staatschef geht es in Teheran darum, die internationale Isolation Russlands zu durchbrechen und seinen Einfluss im Nahen Osten zu sichern: Das Treffen von Teheran findet wenige Tage nach der Nahost-Reise von US-Präsident Joe Biden statt, der das amerikanische Bündnis mit Saudi-Arabien – einem Rivalen der Iraner in der Region – stärken wollte.
Nun hält der Kreml dagegen. Im Ukraine-Krieg stehen Putins Gesprächspartner allerdings nicht auf russischer Seite. Die Türkei hat den russischen Angriff kritisiert und liefert Kampfdrohnen an die Ukraine, wenn sie sich auch nicht an den westlichen Sanktionen gegen Moskau beteiligt. Der Iran hält sich aus dem Konflikt in der Ukraine bisher heraus.
Nach US-Angaben bemüht sich Russland um iranische Kampfdrohnen für den Einsatz in der Ukraine. Russische Regierungsvertreter besuchten demnach in den vergangenen Wochen mehrmals den Iran, um sich die unbemannten Fluggeräte anzuschauen. Der Iran dementiert offiziell, dass ein solches Geschäft geplant ist, betont aber gleichzeitig seine Zusammenarbeit mit Russland. Möglicherweise kommt das Thema zur Sprache, wenn sich Putin mit Raisi am Rande des Gipfels zu einem Einzeltreffen zusammensetzt.
Auch Erdogan, der erste Präsident eines Nato-Staates, der Putin seit Kriegsausbruch am 24. Februar persönlich trifft, plant ein Einzelgespräch mit dem Kremlchef. Erdogan will über Getreidelieferungen aus dem Schwarzmeer-Raum an die Weltmärkte sprechen. Bei einem Treffen in Istanbul vorige Woche hatten sich die Umrisse einer Einigung zwischen Russland, der Ukraine, der Türkei und der UNO abgezeichnet.
Danach sollen Minen vor der ukrainischen Küste geräumt werden, um Getreidefrachter durchzulassen. Die Schiffe sollen kontrolliert werden, weil Russland befürchtet, dass sie Waffen für die Ukraine transportieren könnten. Wenn sich Erdogan und Putin einig werden, könnte eine Vereinbarung noch diese Woche unterschrieben werden.
Syrien
Im syrischen Bürgerkrieg vertreten die Teilnehmer des Teheraner Gipfels ebenfalls unterschiedliche Interessen. Russland und der Iran unterstützen den syrischen Staatschef Baschar al-Assad, während die Türkei auf der Seite der Assad-Gegner steht. Erdogan hofft in Teheran auf grünes Licht der beiden anderen Staaten für eine neue türkische Militärintervention im Norden Syriens. Dort will die türkische Armee die kurdische Miliz YPG aus dem Grenzgebiet vertreiben.
Moskau und Teheran, die Truppen in Syrien stationiert haben, lehnen den türkischen Plan bisher ab. Zwar könnte die Türkei auch ohne Putins Zustimmung einmarschieren. Allerdings könnte sie dann den von Russland kontrollierten Luftraum in den Zielgebieten westlich des Euphrat nicht nutzen, was den Vormarsch behindern würde.
Auch die Lage in der letzten Rebellenbastion Idlib an der Grenze zur Türkei dürfte in Teheran angesprochen werden. Die Türkei befürchtet einen neuen Ansturm von Flüchtlingen aus Idlib, falls Assads Regierungstruppen mit russischer Unterstützung eine neue Offensive auf die Provinz starten sollten.
Mit dem Astana-Format wollen Russland, der Iran und die Türkei ihre Interessen in Syrien trotz ihrer tiefgreifenden Differenzen und des gegenseitigen Misstrauens wahren.
Obwohl Russland und der Iran mit Assad verbündet sind, will Moskau einen grossen Einflussgewinn der Iraner in Syrien verhindern und erlaubt Israel immer wieder Luftangriffe auf iranische Stellungen in dem Bürgerkriegsland. Erdogan warf dem Iran in den vergangenen Jahren vor, den ganzen Nahen Osten dominieren zu wollen. Russland und die Türkei warnen den Iran zudem davor, eine Atombombe zu bauen.
Wirtschaft
Trotz aller Meinungsverschiedenheiten streben die drei Staatschefs einen Ausbau der Handelsbeziehungen zwischen ihren Ländern an. Die drei Länder sind – im unterschiedlichen Mass – mit westlichen Sanktionen belegt und suchen verstärkt nicht-westliche Partner.
Schon vor einigen Jahren vereinbarten die Regierungen, den Handel zwischen ihren Ländern nicht mehr in der internationalen Leitwährung US-Dollar abzurechnen, sondern in den jeweiligen Landeswährungen. Dieser Plan hat aber keinen entscheidenden Impuls gebracht. In einigen Bereichen sind die Gipfelteilnehmer wirtschaftliche Rivalen: So konkurrieren die Ölexporteure Russland und Iran um Kunden wie China.
Der Iran will seine wirtschaftliche Lage durch den Beitritt zu der so genannten Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit verbessern, einem von Russland und China dominierten Zusammenschluss von bisher acht asiatischen Ländern. Auch Erdogan dachte in den vergangenen Jahren mehrmals laut über einen Beitritt der Türkei zu der Shanghai-Organisation als Alternative zur angestrebten Aufnahme in die EU nach. Bisher ist Ankara aber lediglich ein so genannte Dialog-Partner der Organisation.