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Ukraine-Geflüchtete: Drei Firmen zeigen Parmelin und Keller-Sutter, wie Arbeitsintegration geht

Nur ein Bruchteil der ukrainischen Geflüchteten in der Schweiz arbeitet bereits. Viel Potenzial also, das brachliegt. Wie dieses genutzt werden könnte, zeigen die Beispiele von drei Schweizer Firmen.

Wer den Schutzstatus erhält, darf in der Schweiz arbeiten. Doch von den rund 31’000 Geflüchteten aus der Ukraine mit Status S, die im erwerbsfähigen Alter sind, haben erst rund 1500 von Kantonen eine Arbeitsbewilligung erhalten. Zwar liegt die tatsächliche Zahl wohl höher, da es zwischen der Bewilligung durch den Kanton und der Erfassung durch den Bund eine zeitliche Verzögerung gibt. Dennoch ist klar: Da liegt noch viel ungenutztes Arbeitspotenzial brach.

Wie man dieses besser nutzen könnte, wollten Wirtschaftsminister Guy Parmelin und Justizministerin Karin Keller-Sutter von drei Firmen wissen, die bereits ukrainische Geflüchtete eingestellt haben. Am Donnerstag trafen die Mitglieder der Landesregierung darum diese in Bern zu einem Austausch.

Rasche Integration ist eine Chance für die Schweizer Wirtschaft

«Es gibt zwei grosse Hürden bei der Anstellung von Geflüchteten», sagte Karin Keller-Sutter danach vor den Medien: die Sprache und die Kinderbetreuung. Über 80 Prozent der ukrainischen Geflüchteten seien Frauen und Kinder. Keller-Sutter appellierte an die Wirtschaft, beim Abbau dieser Hürden mitzuhelfen. Denn eine rasche Arbeitsmarktintegration sei auch «eine Chance für die Schweizer Wirtschaft» – gerade hinsichtlich des Fachkräftemangels, der sich in verschiedenen Branchen verschärfe.

Auch Wirtschaftsminister Guy Parmelin betonte, entscheidend sei der Beitrag von Unternehmen, die Arbeitsplätze zur Verfügung stellen würden. Wie die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten bei ihnen funktioniert, zeigten in der Folge die drei Firmen auf.

Biogärtnerei: Kinderbetreuung und Deutschunterricht auf dem Hof

Martin Häfliger von der Biogärtnerei Häfliger im aargauischen Reitnau.
Keystone

Martin Häfliger von der Biogärtnerei Häfliger im aargauischen Reitnau hat 12 Personen aus der Ukraine aufgenommen – sieben erwachsene Frauen mit insgesamt fünf Kindern. Die Frauen sind in der Gärtnerei angestellt, während die Kinder auf dem Hof von einer pensionierten Ukrainerin betreut werden. Einmal pro Woche führt eine Lehrerin auf dem Hof Deutschunterricht durch.

Häfligers Frau ist Ukrainerin. «Es kommt uns sehr entgegen, dass sie sich in der Muttersprache mit den Geflüchteten austauschen kann», sagte Häfliger vor den Medien. Neben dem Abbau der Sprachbarriere forderte Häfliger mehr politisches Engagement für eine günstige Kinderbetreuung. Wenn mehr ukrainische Frauen arbeiten sollen, «dürfen die Kosten den Verdienst nicht gleich wieder auffressen», so Häfliger.

Programmierschule: Fachkräfte für die IT-Branche ausbilden

Bettina Hirsig, Geschäftsführerin der Programmierschule Powercoders.
Keystone

Einen mehr ausbildungsorientierten Ansatz verfolgt die Programmierschule Powercoders. Sie zielt auf die Integration von Geflüchteten oder Menschen mit Migrationshintergrund in die IT-Branche ab. Wie Geschäftsführerin Bettina Hirsig erklärte, absolvierten die Geflüchteten zunächst eine dreimonatige IT-Weiterbildung. Danach werden sie an einen der 140 Partnerbetriebe für ein Praktikum mit Aussicht auf Festanstellung vermittelt.

«Nun haben wir angesichts des Ukraine-Kriegs die Anzahl der Ausbildungsplätze erhöht», sagte Hirsig. Bereits seien überdurchschnittlich viele Bewerbungen von Geflüchteten eingegangen. Das Ausbildungsprogramm sei auch für ukrainische Frauen mit Kindern attraktiv, da es in Teilzeitpensen absolviert werden könne.

Ikea: Teilzeit-Ausbildung ermöglichen

Balbina Lips Giovanoli, Verantwortliche Human Resources Ikea Schweiz.
Keystone

Ebenfalls auf die Teilzeitoption setzt Ikea. Die Firma bietet seit 2022 ein sogenanntes «Refugee Internship» an. 44 Plätze stehen zur Verfügung, elf sind bereits besetzt. Wie Balbina Lips Giovanoli, HR-Verantwortliche von Ikea Schweiz, vor den Medien sagte, richte man den Fokus auf die Sprachentwicklung und sei offen für Teilzeitpensen. Ikea hoffe, auch andere Unternehmen zu einem proaktiven Beitrag zu ermutigen, sagte Lips Giovanoli:

«Wir Unternehmen sind Türöffner und haben eine gesellschaftliche Verantwortung.»

Wie das Eidgenössische Justizdepartement am Donnerstag weiter mitteilte, ist der grösste Anteil der bereits arbeitenden Geflüchteten im Gastgewerbe tätig (306 Personen). Danach folgen Planung, Beratung und Informatik (226), Landwirtschaft (169) und Unterrichtswesen (152). Der Kanton Zürich hat mit 256 am meisten Arbeitsbewilligungen ausgestellt, gefolgt von den Kantonen Aargau (201), Bern (144) und Thurgau (140).

Wie die Justizministerin bereits vor zwei Wochen in einem Gasthof in Münsingen informierte, treffen sich Vertreter von Bundesverwaltung, Kantonen und Sozialpartnern seit März wöchentlich zum Austausch. Zudem hat Keller-Sutter die Sozialpartner bereits für nach den Sommerferien zu einem weiteren Gipfel eingeladen, wo weitere Strategien zur Arbeitsintegration von Schutzsuchenden entwickelt werden sollen.